24 Phot. Kunstverlag Wolfrum-Wien Bild 27. Wien, Staatsmuseum, Fragmente einer „Geburt Christi", Rückseite der Geißelung (Bild 15) in der roheren Ausführung aber von Gesellenhand stammen". Keiner der beiden bewährten Frueauf- Forscher ist allerdings der übereinstimmend ange nommenen Gesellenhand weiter nachgegangen, wenn es auch Stiaßny Bedenken machte, daß der ver antwortliche Malerunternehmer (also Vater Frueauf) dem Gehilfen mindest zweimal (Anbetung der Könige und Himmelfahrt Mariens) erlaubte, sein Zeichen R. F. auf den Rückseitenbildern anzubringen. Die vier bisher wenig beachteten Rückseitenbilder, die Verkündigung Mariae auf der Rückseite des Oelbergbildes (Bild 25), die Anbetung der Könige auf der Rückseite der „Kreuztragung" (Bild 30), die Himmelfahrt Mariens auf der Rückseite der „Kreuzigung" (Bild 2b) und schließlich das fast völlig zerstörte Bild der Geburt Christi auf der Rückseite der Darstellung der Geißelung (Bild 27) sind aber in Komposition und Farbe grundverschieden von den ohne Frage eigenhändigen Vorderseltenbilder des älteren Frueauf. Wenn wir von dem noch zu besprechenden Oelbergsbild der Vorderseite (Bild 33) vorerst noch absehen wollen, so sehen wir in den Vorderseitenbildern (Bilder 15, 28, 29) die für die Kunstsprache des alten Frueauf so ungemein charakteristischen zeitlosen, feierlichen Repräsentations bilder der konservativen Richtung, während die Rück seitenbilder (Bilder 25 — 21 und 30) mit einer Fülle naturalistischer Details ausgestattete, mit schlicht volkstümlicher Frömmigkeit geschilderte Augenblicks bilder darstellen. Nicht die „Darstellung der Welt war bei den Repräsentationsbildern der Vorderseite das Wesentliche; auf den Eindruck deS Raumes ist so gut wie ganz verzichtet. Statt der Luft eines in die Tiefe reichenden Raumes, statt einer Hinter grundlandschaft, glänzt ein sehr zart gemusterter Goldgrund und vor ihm stehen schier übergroß die Gestalten. Sie allein erfüllen die Tafel, sie bestimmen den Eindruck. Die Komposition beruht auf dem Ausgleich der breiten großgegliederten Flächen oder kontrastierenden Bewegungen der streng frontal angeordneten Figuren, die alle nach der Mitte hin, um die Hauptfigur, zusammengeschlossen werden"^). Demgegenüber finden wir bei den Rückseitenbildern ein deutlich genugsam wahrnehmbares Streben nach einer glaubhaften Darstellung von Raum und Neben raum ; während bei der primitiven Raumandeutung des Geißelungöbildes (Bild 15) daö Fließenpflaster wie eine Wand hochstrebt und der Fluchtpunkt seiner Perspektivlinien in daö letzte Bilddrittel verlegt ist, fällt der Fluchtpunkt der Perspektivlinien des Fuß bodens der Rückseitenbilder der Verkündigung, Geburt und Anbetung in ganz geänderter perspektiver Raum auffassung in die untere Bildhälfte; aus den irra tionalen Raumdraufsichten werden naturnähere Raum ein sichten. In diese Raumeinsichten sind die Figurengruppen nicht wie auf den Vorderseltenbildern (Vergl. Bilder 15, 28, 29) streng frontal, flächig angeordnet,sondernin raumtiefeentsprechenden Schräg stellungen. Was im Raume dargestellt ist, wird mit den Zügen einer laut sprechenden Wirklichkeit aus gestattet. In der Geburtöhütte ist, ganz naturalistisch geschildert, ein Herd ausgemauert, auf dem der heute nichtmehr sichtbare St. Josef den Kinderbrei kocht, Holz scheiter lehnen an den verfallenen Gemäuer, in einer Ofennische steht die Laterne und aus dem Stallraum, der sich in räumlicher Tiefe öffnet, glotzt die Kuh nach dem göttlichen Kind (Bild 27); in dem Gemach 8 ) Nach Otto Fischer, op. cit. ©. 109|l0.