Volltext: Die k. k. Studienbibliothek in Linz

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Diese Handschrift war einst im Besitz des Stiftes 
Garsten gewesen, weist aber paläographisch deutlich auf 
italienischen Ursprung hin. Nun kennt man bemalte 
mittelalterliche Einbände überhaupt nur aus Italien 
— die berühmten Rechnungsbücher aus Siena, von 
denen ganz wenige Exemplare nach Deutschland ge¬ 
raten sind. 
Es stammen daher aller Wahrscheinlichkeit nach auch 
unsere vier Exemplare aus Italien, da man wohl nicht 
gut annehmen kann, es sei die Handschrift in un¬ 
gebundenem Zustand heraufgebracht worden. 
Von Interesse sind diese vier Bände auch noch deshalb, 
weil sie zum Schutze gegen eindringenden Staub über¬ 
stehendes Leder ausweisen. Jeder Band ist auf Leder¬ 
bünde geheftet, an denen die vorher mit Leder ein¬ 
gefaßten Deckel befestigt worden sind. Der äußere Leder¬ 
bezug ist jedoch nicht nach innen geschlagen, sondern 
steht, nach allen Richtungen so weit über, daß er die 
Bogenränder — Schnitt darf man wohl noch nicht 
sagen — völlig deckte. Diese Art Einband bildet den 
Uebergang von den weichen Pergamentumschlägen, wie 
sie bis ins fünfzehnte Jahrhundert hinein üblich waren, 
zu den späteren, mit seitlich überstehenden Holzdeckeln 
versehenen und ist eine Art Vorläufer der im fünfzehnten 
Jahrhundert üblichen Einbände mit Buchbeutel. 
Wir besitzen an diesen vier bemalten Einbänden einen 
hervorragenden Schatz, der bisher völlig unbeachtet ge¬ 
wesen ist. 
Eine bedeutendes künstlerisches Geschick erfordernde 
und darum seltene Technik war im Mittelalter der 
Lederschnitt. Man verwendete dazu Rindsleder, weil 
sich dieses dafür am besten eignet. Es wurde durch 
Anfeuchten erweicht und die Zeichnung nach Vorlage 
mit dem Messer eingeschnitten. Damit die Zeichnung 
Relief bekam, drückte man den Grund mittelst Punzen 
nieder, der die Fläche halbkreisförmig narbte oder kreuz¬ 
weise strichelte. Rach Jean Soubier, der die mittelalter¬ 
lichen Lederschnittbände zu den schönsten Einbanddecken 
aller Zeiten rechnet, gibt es nur mehr wenige Stücke 
dieser Art. 
Unsere Studienbibliothek besitzt drei Exemplare aus 
dem fünfzehnten Jahrhundert. Zwei davon zeigen stili¬ 
siertes Blatt- und Rankenwerk, während das dritte zwei 
Tiergestalten schmücken: auf der einen Seite ein sprin-
	        
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