— 9 — Diese Handschrift war einst im Besitz des Stiftes Garsten gewesen, weist aber paläographisch deutlich auf italienischen Ursprung hin. Nun kennt man bemalte mittelalterliche Einbände überhaupt nur aus Italien — die berühmten Rechnungsbücher aus Siena, von denen ganz wenige Exemplare nach Deutschland ge¬ raten sind. Es stammen daher aller Wahrscheinlichkeit nach auch unsere vier Exemplare aus Italien, da man wohl nicht gut annehmen kann, es sei die Handschrift in un¬ gebundenem Zustand heraufgebracht worden. Von Interesse sind diese vier Bände auch noch deshalb, weil sie zum Schutze gegen eindringenden Staub über¬ stehendes Leder ausweisen. Jeder Band ist auf Leder¬ bünde geheftet, an denen die vorher mit Leder ein¬ gefaßten Deckel befestigt worden sind. Der äußere Leder¬ bezug ist jedoch nicht nach innen geschlagen, sondern steht, nach allen Richtungen so weit über, daß er die Bogenränder — Schnitt darf man wohl noch nicht sagen — völlig deckte. Diese Art Einband bildet den Uebergang von den weichen Pergamentumschlägen, wie sie bis ins fünfzehnte Jahrhundert hinein üblich waren, zu den späteren, mit seitlich überstehenden Holzdeckeln versehenen und ist eine Art Vorläufer der im fünfzehnten Jahrhundert üblichen Einbände mit Buchbeutel. Wir besitzen an diesen vier bemalten Einbänden einen hervorragenden Schatz, der bisher völlig unbeachtet ge¬ wesen ist. Eine bedeutendes künstlerisches Geschick erfordernde und darum seltene Technik war im Mittelalter der Lederschnitt. Man verwendete dazu Rindsleder, weil sich dieses dafür am besten eignet. Es wurde durch Anfeuchten erweicht und die Zeichnung nach Vorlage mit dem Messer eingeschnitten. Damit die Zeichnung Relief bekam, drückte man den Grund mittelst Punzen nieder, der die Fläche halbkreisförmig narbte oder kreuz¬ weise strichelte. Rach Jean Soubier, der die mittelalter¬ lichen Lederschnittbände zu den schönsten Einbanddecken aller Zeiten rechnet, gibt es nur mehr wenige Stücke dieser Art. Unsere Studienbibliothek besitzt drei Exemplare aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Zwei davon zeigen stili¬ siertes Blatt- und Rankenwerk, während das dritte zwei Tiergestalten schmücken: auf der einen Seite ein sprin-