I. Das künstlerische Bild im Dienste der Propaganda.
Aus dem Wesen der Kunst und damit auch des künstlerischen Bildes
ergibt sich die Möglichkeit ihrer Verwendung im Dienste der Propaganda.
Während die reine, tendenziöse Kunst eine ideelle Gegebenheit in ästhe¬
tischer Form gestaltet und um dieser Gestaltung willen genossen wird,
kommt es der tendenz bestimmten Kunst in erster Linie auf
eine Beeinflussung des Denkens und Wollens der Menschen an. Das Ten¬
denzkunstwerk besteht nicht um seiner selbst oder um seiner ästhetischen
Gestaltung willen, sondern verfolgt den — allerdings oft nicht eingestan¬
denen — realen Zweck, durch die ihm innewohnende außerästhetische
Tendenz auf die meinungs- oder willensmäßige Haltung des Genießenden
einzuwirken. Das ästhetische Element wird bei einem solchen Kunstwerk
zum Diener des propagandistischen Ideengehalts, — die Gestalt kommt
der Idee zu Hilfe. Die enge Verquickung dieser beiden Wesensbestandteile
macht das willenshaltige Kunstschaffen zu einem Kampfmittel
ersten Ranges: seiner Wirkungsmacht bedienen sich Werbung und
Agitation in steigendem Maße.
In der bildenden Kunst wird neben dem positiv werbenden Bilde, für
das wir noch keine festumrissene Bezeichnung besitzen, die Verbindung
des Kunstmittels mit der Agitation durch die Satire erreicht1. Zu ihr
gehört die Karikatur, soweit sie eine feindliche Idee als nicht-sein-
sollend hinstellt und damit der eigenen dient.
Über das Wesen der Karikatur ist viel geschrieben worden. Die fran¬
zösische Literatur weist eine ganze Anzahl von Deutungsversuchen auf 2,
von denen jedoch keiner die bestehende Verwirrung der Begriffe zu be¬
seitigen vermochte. Die mengenmäßig so ungeheuer gesteigerte Verwen¬
dung des werbenden, spottenden und hetzenden Bildes im Weltkriege hat
immerhin seine Eigenschaft als wirkungsvolle Propagandawaffe klar her¬
ausgestellt; man erkennt, daß die Karikatur nicht nur eine Kunst
des Lachens ist. So schreibt Grand-Carter et: „Die Kriegskarikatur
ist eine Kampfwaffe, bestimmt, mit Hilfe des Zeichenstiftes den Feind zu
zerschmettern; bestimmt, ihn zu töten, ihn moralisch zu vernichten“ 3 *,
wobei er es aber unterläßt, den sehr wesentlichen Trennungsstrich zwi¬
schen der die originale Form bewußt verändernden Karikatur und
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