Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

Angriff gegen Rußland vorbereitet? Durchaus nicht; aber 
fünf Tage vor dem 30, Juli, d. i. am 25. Juli, hatte Serbien 
die österreichisch-ungarische Note in der bekannten 
Weise beantwortet, und Rußland gürtete sein 
Schwert um, um sofort an Serbiens Seite zu 
treten! 
Es wird versichert, daß der Minister des Innern, Maklakow, 
es war, der dem Kaiser Nikolaus am eindringlichsten von der 
„ungeheueren Entrüstung" des russischen Volkes sprach. Ma¬ 
klakow hatte sich in ein Wirrsal hineinregiert, aus dem er keinen 
anderen Ausweg sah als den Krieg, von dessen Unausbleiblich¬ 
keit er ja nicht nur die Nationalisten, sondern die Militärs 
und verschiedene hohe Herrschaften ohnedies fortwährend 
reden hörte. Er stellte dem Kaiser vor, daß es gefährlich wäre, 
sich der nationalen Bewegung entgegenzustemmen und nicht 
für Serbien Partei zu nehmen. Daß man Österreich-Ungarn 
in seine Schranken zurückweisen und Deutschland abhalten 
könne es zu unterstützen, wenn man mobilisiere und Drohungen 
ausstoße, wurde dem Zaren offenbar vom Kriegsminister und 
vom Generalstabschef, die den Krieg sehnlichst herbeiwünschten, 
suggeriert. Güte Beobachter der damaligen Petersburger 
Vorgänge hatten bestimmt diesen Eindrück. Die Kriegspartei 
wartete jedenfalls schon lange und ungeduldig und hatte ihre 
Vorkehrungen so gut sie konnte, getroffen; jetzt wollte sie 
sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Sie setzte zuerst 
die teilweise und dann die allgemeine Mobilisierung durch, 
damit es nur ja kein Zurück gebe. Dabei half ihr die englische 
Regierung indem sie durch kunstvolle Liebedienerei und 
Eingehen auf den russischen Standpunkt ihre Zuversicht, daß 
England mitkämpfen werde, steigerte. Die allgemeine Mobili- 
sierung erfolgte und damit war es entschieden, daß zwischen 
Rußland-Frankreich und den Zentralmächten der Waffen- 
gang kommen müsse. Deutschland wollte nun wenigstens 
England vom Kriege abhalten, aber nun fanden Asquith und 
Grey, daß England, wenn es am Kriege teilnehme, nicht mehr 
riskiere als wenn es abseits bleibe. Als der deutsche Botschafter 
in London vorsprechen wollte, daß Deutschland der franzö- 
fischen Republik in Europa kein Gebiet entreißen werde und 
einenTag später sogar bereit war, die Zusage dahin zu erweitern, 
daß es ihr auch keine Kolonien nehmen wolle, wenn sich nur Eng- 
land zur Neutralität verpflichte — da war dies, nach des Pre- 
mierministers Asquith entrüsteter Erklärung, ein „infamer 
Vorschlag 
76