Volltext: Ein Volk in Waffen

280 
Sechzehntes Kapitel. 
Spiel und flatternden Fahnen ein. Straßcnkämpfc fanden nicht statt, 
die Bürger schossen nicht aus den Fenstern, daher wurde Antwerpen 
auch kein anderer Schaden zugefügt als der, den cö durch das Bom¬ 
bardement erlitten hatte. 
Dies war also um 3 Uhr am 9. Oktober geschehen. Und nun war 
es 7 Uhr morgens am 10. Oktober, und ich befand mich auf dem Weg 
zum Palast des Generalgouvernements an der Rue de la Loi. Am 
Eingang kamen drei junge Offiziere auf mich zu, fröhlich und guter 
Dinge, und begrüßten mich, als wären wir Jugendfreunde. Sie hätten, 
sagten sie, vom Feldmarschall den Auftrag bekommen, mich nach Ant¬ 
werpen zu begleiten. „Wenn es Ihnen recht ist, fahren wir sofort, das 
Auto steht bereit." Natürlich! Der Chauffeur setzte den Motor in 
Gang und nahm seinen Platz am Steuer ein. Neben ihm saß ein 
Soldat und im offenen Automobil die drei Offiziere und ich. Alle 
Deutschen trugen Revolver; außerdciu hatten wir drei Karabiner zur 
Hand. Offenbar hielt man die Straße noch für unsicher und den Besuch 
in der eben eingenommenen Stadt mit Gefahren verbunden. Mau 
hatte noch keine genaueren Nachrichten über die Stimmung Antwerpens 
während der Nacht und am frühen Morgen. „Mir ist es komplett 
egal, ob ich jetzt oder ein anderes Mal erschossen werde, sterben muß 
man ja auf alle Fälle", sagte Leutnant Classen, der ein großer Spa߬ 
vogel und voll lustiger Einfälle und Geschichten war. Die übrigen zwei 
Reisekameradcn waren Oberleutnant Dr. Hütten aus Stettin und Leutnant 
Dr. Walter Kes aus Steglitz. Dr. Kes war auch in Fricdcnszeitcn aktiv 
und dabei Doktor der Philosophie, was sehr ungewöhnlich ist. 
Sobald alles in Ordnung war, erscholl der Ruf: Loö! Und vom 
ersten Augenblick an fuhr das Automobil mit wahnsinniger Geschwindigkeit. 
Es wurde eine höchst spannende und merkwürdige Reise, und niemand 
braucht sich darüber zu wundern, daß meine Aufzeichnungen hier mehr 
als dürftig wurden. Aber alles ging, so rasend schnell, und wir saßen 
in höchster Spannung. Auch für meine Begleiter war wenigstens der 
nördliche Teil dieser Straße neu, wie auch die Stadt selbst, und ein 
Weg, den gerade ein Kricgshecr ging, ist ja voll Spuren seines Vor- 
rückcns. Die Beobachtung selbst ist eine Kraftprobe, die wenigstens von 
einem Laien besondere Schnelligkeit der Auffassung erfordert. Ehe man
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.