Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Dom unbekannten Heldentum deutscher Gefangener 
einiges von dem hinzufügen würde, was sie leisteten. Nicht mit der Nusdauer allein, 
sondern mit den Triebkräften, mit welchen sie die Unerschütterlichkeit deutschen 
Lebensdranges bewiesen. 
In allen Lagern, die, auf der ganzen Welt zerstreut, gefangene deutsche Männer 
und Zrauen umschlossen, wurde gearbeitet. Oie Geschicklichkeit des in feldgraue Uni¬ 
form gekleideten deutschen Arbeiters und Handwerkers, überall, wo er Hand anlegte, 
wurde laut gerühmt. Noch heute spricht man in den Ländern, die ich seit dem Kriege 
besucht habe, mit der größten Anerkennung von ihrer Tätigkeit. Vielfach wurden 
sie den eigenen Landsleuten als Muster vorgehalten. Zum Beispiel in Südwest¬ 
afrika, dort bei Lüderitzbucht, waren sie erst in Spitzzelten untergebracht und hatten 
es nach einer Reihe von Monaten fertiggebracht, daß sie in festen, selbstgebauten, 
mit selbstgezimmerten Möbelstücken eingerichteten Häusern wohnten, wobei ihnen 
das Material aber nicht etwa von der englischen Regierung geliefert wurde. Es war 
altes Gerümpel, umherliegende Steine und Holzstücke, die sie in und außerhalb 
des Lagers bei ihren Ausgängen gesammelt hatten. Wie ich der Erzählung eines 
Mitgefangenen, des Münchner Geologen Geheimrat Erich Kaiser verdanke, bot es 
ein groteskes Bild, die Leute von einem Ausgang heimkehren zu sehen. Unter dem 
Kopfschütteln der englischen Begleitmannschaften trottete jeder Mann schwerbeladen 
einher, mit Steinen, Metall-, holz-, Leder- und Stoffstücken, Glasscherben beladen, 
in diesem Zolle wertvollstem Material, von dem nichts unbenützt blieb. Jedes kleinste 
Stückchen diente wieder dazu, die Behaglichkeit der Wohnräume zu erhöhen. Sogar 
eine Bühne mit Beleuchtungsanlage fehlte nicht und ebensowenig ein Kino, das 
sie mit Hilfe eines von den Engländern als wertlos weggeworfenen, von ihnen 
wieder hergestellten Apparats einrichteten. Daß die künstlerische Ausstattung nicht 
vergessen wurde, ist eigentlich selbstverständlich. Überall in den wohnräumen waren 
von geschickten Händen angefertigte Gegenstände zu sehen, Schnitzereien, Stück¬ 
arbeiten, Malarbeiten usw. Diese Schöpfung aus dem Nichts flößte dem englischen 
Rommandanten soviel Achtung und Bewunderung ein, daß er von nun an den 
Wachen verbot, das Lager zu betreten, und sie durch das Beispiel der Deutschen zu 
gleichem Tun anzufeuern versuchte, allerdings ohne Erfolg, denn sie lungerten auch 
weiter einfach außerhalb des Lagers herum und begnügten sich lieber mit ihren an¬ 
spruchslosen Spitzzelten, als daß sie sich in gleicher Weise wie die dummen Deutschen 
anstrengten (siehe Bildbeilage). 
In den russischen, namentlich den sibirischen Lagern, trugen die deutschen Ge¬ 
fangenen wesentlich dazu bei, die äußere Lebenshaltung der russischen 
Städtebevölkerung zu heben. Es entstanden Maler-, Handwerker- und 
Industriezentren,- Schneider-, Wäsche-, Hutmacher-, Handschuhmacher-, 
Tischler-, Schlosser-, Dreherwerkstätten,' Malerei und Bildhauerkunst 
wurde gepflegt, sogar kleine photographische Anstalten usw., ebenso eine kleine 
chemische Zabrik entstand unter der Leitung von ausgebildeten Chemikern, die 
bald die Erfahrung machten, daß hauptsächlich die Herstellung von Parfümerien 
sich besonders lohnend gestaltete. Oie breite Natur der Russen stieß sich nicht an hohen 
Preisen und ließ ihnen willig gute Gewinne zukommen, die zum Teil zum Ankauf 
von warmer Pelzkleidung verwendet wurden, ihnen aber außerdem noch hübsche 
Ersparnisse ermöglichten. Ich sah selbst im März 1918 in Tarnopol über 1000 Zlücht- 
linge, denen es im Wirrwarr der Revolution gelungen war, in russischer Kleidung
	        
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