Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

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Der Feldzug gegen Serbien 1915/16. 
immer nicht die Flinte ins Korn werfen. Er raffte alle Serben, 
soweit sie nur eine Waffe tragen konnten, zusammen, be¬ 
waffnete auch an 400 Griechen und bot überdies die ganze 
Bevölkerung zu Schanzarbeiten auf. Aber seine Erwartung 
auf den Beistand der französischen Marineure, die seinerzeit 
bei Belgrad Geschütze bedient und über Mitrovica Resna 
erreicht hatten, wurden enttäuscht. Wohl kamen sie endlich 
an — doch nicht mehr als 60 Mann. Die anderen waren 
erschöpft am Wege zurückgeblieben. Die ebenfalls erwarteten 
englischen Marineure kamen überhaupt nicht an. — Und 
wären sie auch gekommen, Bitolj konnte nicht mehr geholfen 
werden. Dies sah wohl schließlich auch Basic ein und 
so entschloß er sich, noch rechtzeitig und ohne Blutvergießen 
die Stadt preiszugeben. Die Behörden und der serbische Teil 
der Bevölkerung hatten sie ohnedies schon geräumt; nun 
sollten die Truppen nachfolgen. Als erste zogen am r. De-- 
zember jene 6000 Rekruten ab, die einige Tage zuvor, barfuß, 
ohne Mantel, hungernd und frierend, nach i/tägigem 
Marsche aus Albanien eingetroffen waren. Als sie über 
Resna gegen Ohrida zu hinausgekommen waren, folgten 
ihnen die kriegerprobten Abteilungen nach. Der pflichtgetreue 
Obst. Basic verließ als letzter die Stadt. 
Die Bulgaren, die am 6. Dezember in Bitolj einzogen, 
wurden von der ihnen konationalen Bevölkerung feierlich 
mit großem Gepränge empfangen — und Sofia flaggte 
tags darauf unter Glockengeläute: die Hauptstadt Süd- 
Mazedoniens war — die Bulgaren wähnten es, für immer 
— bulgarisch geworden. 
Als die aus Bitolj abgezogenen Serben noch auf der 
Babuua planina hielten und im Lager des Vierverbandes 
vielleicht noch Hoffnung bestanden hatte, es könnte Süd-- 
Mazedonien behauptet werden, hatte sich Sarrail auf 
das Drängen und Bitten der Serben entschlossen, ihnen 
mit Truppen seiner Orientarmee beizubringen. Also setzten 
die Franzosen an der Erna reka (Kara su), bei und etwas 
oberhalb ihrer Mündung in den Barbar, zum Angriff an. 
Er traf die um weniges mehr als eine Brigade starke 
Gruppe Obst. Bogdanow der bulgarischen 2. Armee, 
und es gelang den überlegenen Franzosen, am Y.November 
die Orte Sirkovo und Krusevica zu nehmen. Auch Mrzen 
und Gornje Cicevo fielen ihnen nach äußerst erbitterten 
Kämpfen der nächsten zwei Tage in die Hand. Doch war 
damit auch schon der Höhepunkt ihrer Erfolge erreicht. 
Gegenangriff auf Gegenangriff der Bulgaren warf sie 
immer weiter zurück, und bis zum Mittag des 14. November 
gehörten bereits alle, bis auf eine Höhe am linken Ufer 
der Erna, von Mrzen bis Gradsko hin, wieder den Bul- 
garen. Nur jene bei Debrista südlich Mrzen glückte es den 
Franzosen noch bis 21. November zu halten. Als sie auch 
diese verloren hatten, befand sich bald kein einziger Franzose 
mehr am linken Flußufer. Ihr Versuch, den Serben Hilfe 
zu bringen, war somit völlig gescheitert. 
Die Verdrängung der Vierverbandsarmee aus Südostmazedonien. 
Die Orientarmee des Vierverbandes, die sich am Vardar 
und der Erna reka der nach Süden gekehrten Front der bul- 
garischen 2. Armee T 0 d 0 r 0 w gegenüber festgesetzt hatte, 
hatte ihre Stellungen ausgiebigst befestigt und erreichte in 
der vordersten Linie ihres „französischen" Frontabschnittes 
die Stärke von drei Divisionen. Weiter östlich, gegenüber 
der an die Grenze südlich Strumica vorgeschobenen, früher 
dem Armeeoberkommando, nunmehr ebenfalls der 2. Armee 
unterstehenden bulgarischen 2. Division standen etwa 
2 Divisionen englischer und französischer Truppen. Beide 
Frontabschnitte verfügten über ansehnliche Artillerie. 
Die bulgarische 2. Armee war diesen Streitkräften gegen-- 
über zahlenmäßig unterlegen, und so beschränkte sie sich 
während des Ringens der Heeresgruppe Mackensen 
auf tatkräftige Verteidigung. Dies führte zu manchen 
Positionskämpfen, die indessen weder Freund noch Feind 
irgendwelche nennenswerte Vorteile oder Nachteile brachten. 
Erst als den Franzosen der Vorstoß über die Erna reka 
mißlang, erwuchsen den Bulgaren durch den ihrerseits 
dort erstrittenen Erfolg solche Vorteile, daß bei ihnen der 
Entschluß reifen konnte, die feindliche Front im Erna- 
Vardarbogen zu umfassen und die Franzosen dort ein-- 
zuschließen. Allerdings mußte die Durchführung dessen auf 
die Zeit verschoben werden, bis bei der Armee Verstärkungen 
eingetroffen wären. Auf Grund dessen, wie sich dann, 
namentlich nach dem Falle von Pristina die allgemeine 
Lage gestaltete, und nachdem die Franzosen die Brücke über 
die Erna reka zunächst Gradsko gesprengt und jene bei Vo- 
zarci westlich Kavadar niedergebrannt und damit kund-- 
gegeben hatten, daß sie auf eine Offensive nicht mehr dachten, 
entschloß sich T 0 d 0 r 0 w, schon mit den Kräften, die ihm 
augenblicklich zur Verfügung standen, anzugreifen. Noch 
war aber die dazu nötige Gruppierung nicht bewirkt, da 
meldeten am 3. Dezember Beobachter, daß französische Ar- 
tillerie auf der Bahn abrolle. Dies bedeutete nun nichts 
anderes, als daß die Franzosen den Rückzug antraten. 
Tatsächlich verhielt es sich so. Sarrail hatte eben jeden-- 
falls eingesehen, daß eine Vereinigung der Orientarmee 
mit den Serben und schon gar der seinerzeit geplante Vorstoß 
gegen Veles nutzlos und unmöglich geworden waren. Ge- 
wiß entging ihm auch die außerordentliche Gefahr nicht, 
die der französischen Front von der Erna reka her, wo die 
Bulgaren Rückenfreiheit gewonnen hatten, drohte, und 
wollte diese — und die ganze übrige Front auch — lieber 
früher, als bis es dazu etwa zu spät wäre, zurücknehmen. Denn 
je später, desto schwieriger mußte sich dies gestalten. Auch 
schon jetzt war es genug schwer zu bewerkstelligen, weil es 
nicht nur an und für sich viel Gewandheit erforderte, sondern 
auch dadurch mit umsomehr Schwierigkeiten verbunden 
war, als alles, was da in langer Zeit aufgestapelt worden 
war, auf der einzig vorhandenen eingleisigen Bahn fort- 
geschafft werden mußte. Um nun womöglichst viel Zeit 
dazu zu gewinnen, und überhaupt um den Rückzug zu ver- 
schleieru, griffen die Franzosen vom Vardar aus über 
Bistrenci gegen Kalijan kräftigst an. Wohl ließ sich das bul- 
garische Armeekommando dadurch nicht irre machen, doch 
den Zweck, Zeit zu gewinnen, erreichten die Franzosen halb 
und halb dennoch. Diese Zeit genügte, um in Ruhe die Front 
im Erna—Vardarbogen, über Krivolak bis Brusnik hin, 
abzubrechen und auch schon, begünstigt vom dichten Nebel, 
den Großteil der dort gestandenen Truppen durch den Eng- 
paß von Demirkapija hindurchzubringen. Dies war auch 
das einzig richtige, was die Franzosen hatten tun können, 
denn die Bulgaren waren bereits, in der Absicht ihnen 
möglichst viel Abbruch zu tun, an der ganzen Front zum 
Angriff übergegangen. Daß sie ihre Absicht dann nur zum
	        
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