Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Feldzug gegen Rußland. 
Mit diesen mißglückten Unternehmungen war der Taten-- 
drang der Russen wieder für einige Zeit gestillt, die, ebenso 
wie wir, in der Folge eifrig an der Ausgestaltung ihrer Gräben 
arbeiteten. Mäßiges Jnfanteriefeuer brodelte auf beiden 
Seiten, vereinzelte Geschützkämpfe dienten zur Verschleierung 
und Störung von Truppenverschiebungen. Vor dem an- 
gegriffenen Abschnitt der Strypafront konnte ein weiteres, 
neu eingetroffenes russisches Armeekorps konstatiert werden, 
während eines der an den vorhergegangenen Kämpfen be- 
teiligt gewesenes Korps aus der Front hatte gezogen werden 
müssen. Auch an der bessarabischen Front ging aus den 
Aussagen der Gefangenen hervor, daß die Regimenter dort 
fortlaufend mit frisch eintreffenden Ersatztransporten auf-- 
gefüllt werden mußten. So unterlag es keinem Zweifel 
und deutete die Heranziehung von Reserven darauf hin, daß 
General Iwanow sich die Wiedereroberung Galiziens 
und der Bukowina 
trotz der bisherig 
gen Mißerfolge 
noch keineswegs 
aus dem Kopf ge-- 
schlagen hatte. 
Da aber die 
gleichzeitigen An-- 
griffe auf der gan¬ 
zen F. ont den Rus¬ 
sen außerordent-- 
lich starke Verluste 
gebracht hatten, so 
verfolgten sie nun 
die Taktik, an 
Einzelstellen mit 
gewaltiger, ge- 
häufter Stoßkraft 
Durchbruchsver- 
suche anzustellen. 
Immer den Blick 
aufCzernowitz ge- 
richtet, wählten sie 
dazu wieder unsere 
Stellungen östlich 
Rarancze, wohin 
sie am ii. Jänner frühmorgens ein fürchterliches Trommel- 
feuer richteten. Als die Russen so unsere Besatzung zermürbt 
glaubten, verlegten sie ihr Sperrfeuer hinter unsere Linien, 
so daß ein Durchdringen dieses flammenden Feuerstreifens 
unmöglich erschien. Dann setzte ein wuchtiger Infanterie-- 
angriff ein, der stellenweise sogar in geschlossenen Kolonnen 
vorgetrieben wurde. Die Sturmkolonnen bestanden aus 
Kerntruppen, aus sibirischen Schützen und tscherkessischen 
Fußregimentern. Ihr Hauptangriff richtete sich wieder 
gegen die Höhe 298 und den sogenannten „Obstgarten" 
östlich Rarancze, ein bescheidenes Fleckchen Erde mit wenig 
dürftigen Bäumchen, das durch den unvermögenden Starrsinn 
des Generals Iwanow zu einer traurigen Berühmtheit 
gelangte. Sturmwelle auf Sturmwelle flutete heran, ohne 
Rücksicht auf die Verluste trieben die russischen Führer mit 
verzweifelter Entschlossenheit immer neue Regimenter gegen 
die Hindernisse vor. Unheimlich war es, als die Infanterie 
in tiefen Massengliederungen zum Angriff vorstürmte. Das 
Menschen Material spielte bei den Russen keine Rolle. Es war 
vergebens, daß unsere Truppen die ersten Reihen nieder- 
machten, es folgten andere unwiderstehlich nach. Bei unseren 
Drahthindernissen mußte der gewaltige Strom der stür- 
menden Linien ins Stocken geraten und da setzte das mör- 
derische Schnellfeuer unserer Infanterie ein, Tod und Ver- 
derben in die feindlichen Linien tragend. Die nachkommenden 
Sturmkolonnen kletterten über die Berge ihrer toten Ka, 
meraden, aber unser Feuer zwang auch sie zum Stillstand. 
Wich eine Sturmkolonne halb intakt zurück, so Hagelten die 
eigenen Granaten und Maschinengewehrgeschosse von rück, 
wärts in ihre Reihen hinein. So empfingen unsere Truppen 
die russische Brandung, die sich auf sie ergoß, stundenlang 
mit machtvollem Feuer und die Höhen widerhallten vom 
Brüllen der Geschütze und vom Knattern der Maschinen- 
gewehre. Angesichts dieser Massen aber ist es nur begreiflich, 
daß trotz unseres wohlgezielten Feuers eine oder die andere 
Reihe der Russen unsere Stellungen erreichen mußte, so viele 
von den übrigen auch vernichtet worden sein mochten. Wieder- 
holt geschah es, 
daß der Feind 
sich unseren Grä- 
ben bis auf zwei 
Schritte näherte 
erst dort zu- 
sammenbrach. In 
solchen Augen- 
blicken war unsere 
Mannschaft nicht 
mehr zu halten, 
gleich wilden Tie- 
ren sprangen die 
Leute aus ihre« 
Gräben und jetzt 
verrichtete das 
Bajonett der 
Mährer, der Fo- 
kos der Ungarn 
blitzschnelle,furcht- 
bare Arbeit. 
So wütete der 
Kampf um ben 
Obstgarten von 
Rarancze, bei wel- 
chem sich beson- 
ders das nordmährische Infanterieregiment Nr. yz und die 
Honvödinfanterieregimenter Nr. 30 und 307 hervorgetan 
haben, in titanenhafter Erbitterung. Das homerische Wort vom 
männermordenden Krieg erfuhr hier eine grauenhafte Steige- 
rung ins Unermeßlicherer gegenüber die von dem griechischen 
Dichter geschilderten Kämpfe ein harmloses Spiel waren. 
Bis zum Nachmittag erstreckte sich der Angriff von 
Höhe 258 bis Südende Toporoutz, aber die eiserne Wehr war 
nicht zu brechen. Stark und trotzig standen die Leute in den 
zerpflügten Gräben und als sich auch die letzte russische Sturm- 
kolonne rückwärts wälzte, rissen die Honvöds die Kappen 
vom Kopf und die harten, sonngebräunten Krieger sangen 
den Hymnus, das heilige Lied der Magyaren. Das Wetter 
war schön und sonnig und ein kleiner Wind trug die Töne zu 
den feindlichen Schützengräben hinüber. 
Aber auch die Nacht brachte noch keine Ruhe. Trotz der 
bisherigen Kraft einbüßen setzte die russische Infanterie um 
10 Uhr abends noch zweimal zum Angriff an, kehrte sich aber 
nach kurzem Kampf schon zum Rückzug, der mitunter zur 
regellosen Flucht wurde. 
Während der Schlacht bei Toporoutz und Rarancze nahm
	        
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