Volltext: Die deutschen Gewerkschaften im Kriege [87]

21 bis 24 Mark, nur wenige besonders begünstigte Arbeiter konnten 
diese Grenze überschreiten. In den Mittel- und Kleinstädten bewegte 
sich die Löhe des Wochenlohnes gelernter Arbeiter um jene Zeit 
zwischen 15 und 18 Mark. Das entsprach einem Jahreseinkommen 
von 800 bis 1200 Mark, wobei die Mehrzahl der Arbeiter hinter 
einem Jahreseinkommen von 1000 Mark zurückblieb. Diese Löhne 
verstanden sich bei einer Arbeitszeit, die allermeist eine täglich zehn¬ 
stündige Dauer überstieg. Der zehnstündigen Arbeitszeit erfreuten 
sich nur die Arbeiter weniger Großstädte, im übrigen betrug sie für 
die Mehrheit der gewerblichen Arbeiter elf, und für eine beachtliche 
Minderheit zwölf Stunden. Lier war das Feld, auf dem der 
Gewerkschaften dringende, aber auch schwere Aufgaben harrten. Sie 
nahmen sie mit Angestüm in Angriff. Schon das Ende der acht¬ 
ziger Jahre brachte eine Lochstut von Streiks. Die im Jahre 1892 
eintretende Versteifung des Wirtschaftslebens zwang zu mehr¬ 
jähriger Zurückhaltung, die aber, als wieder frischer Wind die Segel 
schwellte, einem um so lebhafteren Vorgehen Platz machte. 
Die Arbeitgeberschaft fühlte sich durch diesen Ansturm stark be¬ 
unruhigt. Denn diese Lochflut von Arbeitseinstellungen, die an die 
Leistungsfähigkeit der Gewerkschaften ungeheure Anforderungen 
stellte, war weit entfernt, die Kraft der Organisationen aufzuzehren, 
sie erhöhte sie im Gegenteil in ungeahnter Weise. Jeder Jahres¬ 
bericht stellte Steigerungen der Mitgliederzahlen und Wachstum der 
Geldkraft fest. Latte sich die gewerkschaftliche Propaganda zuerst 
auf die Städte und hier auf die gelernten Arbeiter beschränkt, so griff 
sie nun auch auf das platte Land über und wandte sich mit steigen¬ 
dem Erfolge auch den ungelernten Arbeitern zu. In der Arbeit¬ 
geberschaft verfolgte man diese Entwicklung mit unruhiger Sorge: 
stellte dies rücksichtslose Vorgehen der Gewerkschaften nicht den 
ganzen glücklichen Verlauf des Kampfes um die Absatzgebiete in 
Frage? Aber neben dieser Sorge wirkte die diktatorische Auffassung 
vom Wesen des Arbeitsverhältnisses, wie sie in der dritten Stufe 
seiner Entwicklung entstanden war, mit an dem Aufkommen einer 
starren gewerkschaftsfeindlichen Strömung in der Arbeitgeberschaft, 
die sich alsbald in den Kreisen der Regierung Gehör verschaffte. 
Man verlangte äußerste Strenge gegen die Streikpropaganda. Der 
„Gesetzentwurf zum Schutze des gewerblichen Arbeitsverhältnisses", 
der angestellte Vertrauensleute der Gewerkschaften für den Fall der 
Streikpropaganda mit schweren Gefängnis- und in besonderen 
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