Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

Die Übergangszeit in Deutschland 
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der Vorrang vor den einheimischen eingeräumt und gleichsam ein 
Präzedenzfall geschaffen, der im Laufe der Zeit auch für andere 
Länder maßgebend werden sollte. 
§ 33. Die Auswirkung des österreichischen Regimes in Böhmen, 
Mähren, Schlesien und Ungarn (bis 17UO) 
Das argwöhnische Auge der Habsburger heftete sich keineswegs 
allein auf die Juden Wiens und der österreichischen Stammlande: 
mit nicht geringerem Argwohn blickte es auf das Anwachsen der jü 
dischen Volksmassen in den von ihnen schon seit jeher dicht bevöl 
kerten Provinzen, so vor allem in Böhmen und Mähren, wo sich Prag 
und Nikolsburg zu Zentren der jüdischen Gemeindeselbstverwaltung 
entwickelt hatten und zum Sitz von Landesrabbinern geworden waren. 
Besonders großen Zuwachs erfuhren die Gemeinden in diesen beiden 
Städten sowie in den bedeutenderen Nachbarstädten infolge der Wir 
ren des Dreißigjährigen Krieges, als die aufgescheuchte jüdische Ein 
wohnerschaft der umliegenden Flecken und Dörfer sich genötigt sah, 
hinter den festen Stadtmauern Schutz zu suchen 1 ). Als dann nach 
Beendigung des Krieges die böhmischen und mährischen Städte auch 
noch von jenen Auswandererscharen aus Polen überflutet wurden, die 
vor den blutrünstigen Horden des Chmelnickij flüchten mußten, 
schien es den Machthabern, daß das Maß nun voll sei. So nahm denn 
der böhmische Landtag schon i65o eine Entschließung an, derzu- 
folge der Aufenthalt im Lande nur solchen Juden gestattet werden 
sollte, die hier schon vor 1618, d. h. vor Ausbruch des Dreißigjäh 
rigen Krieges ihren Wohnsitz hatten oder in der Lage seien, eine vom 
König erteilte Aufenthaltsgenehmigung vorzulegen. Ähnlich lautete 
der Beschluß, den der Landtag von Mähren gefaßt hatte. Die vom 
Kaiser nur zum Teil sanktionierten Beschlüsse sollten sich indessen 
als so wenig wirksam erweisen, daß nach der 1670 erfolgten Ver 
treibung der Juden aus Wien auch die neuen Scharen der Heimat- 
*) Es verdient Beachtung, daß die Entwicklung der jüdischen Gemeinden um 
diese Zeit in Mähren raschere Fortschritte machte als in Böhmen. Während Böhmen 
damals nur ein einziges bedeutendes Kulturzentrum, das von Prag, aufzuweisen 
hatte, taten sich in Mähren außer Nikolsburg auch noch die Gemeinden von Krem- 
sier, Proßnitz, Ungarisch-Brod, Holleschau, Trebitsch und manch andere hervor. 
In einigen königlichen Städten, wie z. B. in Brünn und Olmütz, war freilich den 
Juden der ständige Aufenthalt untersagt und sie durften dort nur während der 
Messezeit sowie zu anderen geschäftlichen Zwecken weilen (s. unten).
	        
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