Die Übergangszeit in Deutschland 276 der Vorrang vor den einheimischen eingeräumt und gleichsam ein Präzedenzfall geschaffen, der im Laufe der Zeit auch für andere Länder maßgebend werden sollte. § 33. Die Auswirkung des österreichischen Regimes in Böhmen, Mähren, Schlesien und Ungarn (bis 17UO) Das argwöhnische Auge der Habsburger heftete sich keineswegs allein auf die Juden Wiens und der österreichischen Stammlande: mit nicht geringerem Argwohn blickte es auf das Anwachsen der jü dischen Volksmassen in den von ihnen schon seit jeher dicht bevöl kerten Provinzen, so vor allem in Böhmen und Mähren, wo sich Prag und Nikolsburg zu Zentren der jüdischen Gemeindeselbstverwaltung entwickelt hatten und zum Sitz von Landesrabbinern geworden waren. Besonders großen Zuwachs erfuhren die Gemeinden in diesen beiden Städten sowie in den bedeutenderen Nachbarstädten infolge der Wir ren des Dreißigjährigen Krieges, als die aufgescheuchte jüdische Ein wohnerschaft der umliegenden Flecken und Dörfer sich genötigt sah, hinter den festen Stadtmauern Schutz zu suchen 1 ). Als dann nach Beendigung des Krieges die böhmischen und mährischen Städte auch noch von jenen Auswandererscharen aus Polen überflutet wurden, die vor den blutrünstigen Horden des Chmelnickij flüchten mußten, schien es den Machthabern, daß das Maß nun voll sei. So nahm denn der böhmische Landtag schon i65o eine Entschließung an, derzu- folge der Aufenthalt im Lande nur solchen Juden gestattet werden sollte, die hier schon vor 1618, d. h. vor Ausbruch des Dreißigjäh rigen Krieges ihren Wohnsitz hatten oder in der Lage seien, eine vom König erteilte Aufenthaltsgenehmigung vorzulegen. Ähnlich lautete der Beschluß, den der Landtag von Mähren gefaßt hatte. Die vom Kaiser nur zum Teil sanktionierten Beschlüsse sollten sich indessen als so wenig wirksam erweisen, daß nach der 1670 erfolgten Ver treibung der Juden aus Wien auch die neuen Scharen der Heimat- *) Es verdient Beachtung, daß die Entwicklung der jüdischen Gemeinden um diese Zeit in Mähren raschere Fortschritte machte als in Böhmen. Während Böhmen damals nur ein einziges bedeutendes Kulturzentrum, das von Prag, aufzuweisen hatte, taten sich in Mähren außer Nikolsburg auch noch die Gemeinden von Krem- sier, Proßnitz, Ungarisch-Brod, Holleschau, Trebitsch und manch andere hervor. In einigen königlichen Städten, wie z. B. in Brünn und Olmütz, war freilich den Juden der ständige Aufenthalt untersagt und sie durften dort nur während der Messezeit sowie zu anderen geschäftlichen Zwecken weilen (s. unten).