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Franz Stelzhamer.
Aus:
D'
Diese breit ausgesponnene epische Dichtung — sie umfaßt über
1500 Hexameter nebst den eingestreuten Gsangeln und einem Lade- und
Dankspruch (nach uraltem Original) — dreht sich um ein mit allem Glanze
altvaterischer, großbäuerlicher Herrlichkeit insceniertes Lchchzeitsfest.
Mit der Ahnl zugleich, die die goldene Hochzeit feiert, tritt 'sfchene
Raosidl, ihre Enkelin, vor den Altar. Der Geistliche, der die Doppel
trauung vornimmt, ist der Sohn der Jubelbraut und von Raosidls ver
storbenem Vater der Bruder. Solch seltenes Fest zu schauen, strömt das
Volk herbei meilenweit im Umkreise von pramet. Selbst aus dem vausruck
herüber und vom fernen bairischen Land kommen Gäste, was an Spiel
leuten auszutreiben, ist da, und im Hochzeitszuge beträgt die Zahl der ver
wandten allein 112. Im Kirchlein von pramet brennen so viele Wachs
kerzen, wie an einem hohen Festtag und beim Broiherrn (Brauherrn)
Lnzinger ist das ganze Haus in Bewegung, für die große Hochzeitstafel
und des herbeigeströmten Volkes Bewirtung zu sorgen.
Aber so wohl sich die Jubelbraut fühlt bei diesem glänzenden Feste,
so schwer ist der jungen Braut ums Herz; denn sie folgt ihrem Bräutigam
Sepp nicht aus Liebe, sondern einzig, weil es der Wille .der Ahnl so
bestimmt hat.
Dieser übermannsstarke Wille der alten Bäuerin ist der eigentliche
Angelpunkt der ganzen Dichtung, die deshalb mit Recht de.n Namen trägt:
D'Ahnl.
Zum Greifen leibhaft, wie sie der Dichter an den Eingang des
Epos hingestellt, schreitet sie durch dasselbe, dominierend in allem und
jedem, das verkörperte Schicksal ihres Hauses. Mit derselben Einsicht und
Festigkeit, mit der sie der Enkelin den Bräutigam auswählt und zuführt,
entgegen seiner eigenen Schüchternheit und entgegen der Herzensneigung
der Raosidl, ordnet sie in Verbindung mit dem alten proeurator Kaspa
die Vorbereitungen zum Hochzeitsfeste, alles bedenkend, das wichtigste,
wie das Geringste. Der Ahnl verschwindet neben der Ahnl, die selbst den
geistlichen Herrn Sohn zu meistern weiß, daß er die Trauungsrede hält
nach ihrem Sinn. Und nun gar die junge Enkelin — daß sie dem Hias
zugethan ist, der sie einmal in schwerer Lebensgefahr gerettet hat, die
Ahnl leidet es nicht.
Fort, aus dem Hause muß der Hias trotz der guten Dienste, die er
auch in der Wirtschaft geleistet hat; und die Raosidl muß den Seppen
nehmen, den die Ahnl für sie bestimmt hat.
Dem unbeugsamen willen der alten Bäuerin gegenüber gibt es
keinen widerstand; am wenigsten aus einem jungen Kerzen, das, wie