Volltext: Die Lehren des Krieges [1]

Staat!" Die Gebundenheit an den Heimatstaat stößt die 
Völker in den Krieg [und nicht der Haß gegen den fremden 
Staat oder gar der Haß gegen das fremde Volk. Was hatten 
die Engländer, Franzosen und Russen gegen uns, was hatten 
wir gegen sie? Auch den gegenwärtigen Krieg haben die 
Völker ohne Haß begonnen. Der Beobachter, welcher die 
Lehren des Krieges sammelt, darf aber vor der schrecklichen 
Erkenntnis nicht die Augen verschließen, daß es im Laufe des 
Krieges anders geworden ist; durch die Gewissenlosigkeit der 
Negierungen, welche die Massen zum Kriege aufpeitschten, 
durch die Zuchtlosigkeit der Presse ist das furchtbare Gift des 
Massenhasses in England und Frankreich in die Tiese der 
Seelen verbreitet worden, in Italien ist es nicht anders. 
Die vielverschlungenen, engen und schönen Bande, die von 
Volk zu Volk in langer Kulturarbeit gezogen wurden, scheinen 
zerrissen. Wann werden sie wieder angeknüpft werden können? 
Von allen Wertzerstörungen des Krieges ist dies die sinnloseste, 
die furchtbarste. Der Gedanke ist grauenerregend, daß durch 
eine Zukunft, deren Dauer niemand absehen kann, der Massen¬ 
haß der Wegweiser aus den geschichtlichen Bahnen der Völker 
sein soll. So ist es schon einmal gewesen, als zu Anfang der 
Neuzeit die Religionen um die Weltherrschaft kämpften und 
die Gläubigen der einzelnen Kirchen sich im Massenhaß gegen¬ 
überstanden, bis der Kampf in die Wildheit des Dreißig¬ 
jährigen Krieges ausartete. Ein banges Vorgefühl bedrückt 
uns, daß der Kampf um die Weltherrschaft der Staaten, 
wenn er durch den Massenhaß der Völker genährt wird, 
eben so furchtbar ausarten müsse. Grillparzer hat uns in 
seinem „Bruderzwist" die österreichischen Führer von da¬ 
mals geschildert, welche das Ungeheuere kommen sahen 
und es doch nicht abwehren konnten, ja mit seinem Reize 
spielten oder sich ihm ganz zu eigen gaben. Grillparzers 
Dichtung gehört auch zu denjenigen Büchern, die sich lesen, 
als wären sie erst nach Ausbruch des gegenwärtigen Krieges 
geschrieben, denn er hat mit der Anschauung des großen 
Dichters das Ewige der Bölkerkonflikte ersaßt. Die Worte, 
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