26 Die Entwicklung der Sesamtlage im Sommer 1917.
s-mm«r lsi5. Gegen Einsatz des im Juni eingestellten Nekruten-Iahrgangs 1899
(rund 440000, davon310000Kriegsverwendugsfähige) bestanden ernsteste
Bedenken, da die im Durchschnitt erst 18jährigen jungen Leute größten¬
teils noch nicht ausreichend entwickelt waren. Auch mit Rücksicht aus den
Ausbildungsstand kam ihre Verwendung an der Front vor dem Herbst
nicht in Frage.
Bei dem dauernd sehr hohen Ersatzbedarf des Westheeres blieb der
Obersten Heeresleitung zunächst nichts anderes übrig, als Ende Juli für
die gesamte Ostfront, wenngleich auch an ihr jetzt ernste Kämpfe im Gange
waren, die Ersatzzuweisung aus der Heimat aufs schärfste zu drosseln.
Eine schwere Krise der Ersatzlage kündigte sich an; denn die Einberufung
des Jahrgangs 1900 (zur Zeit 17jährige) kam frühestens in Jahresfrist in
Frage. Ende August regte die Oberste Heeresleitung daher außerordent¬
liche Maßnahmen an, um die Ersatzgestellung fernerhin zu sichern, wobei
die im Herbst 1916 von der Reichsregierung abgelehnte Ausdehnung der
Wehrpflicht bis zum 60. Lebensjahrs im Vordergrund stand. Man hoffte
dadurch Kräfte zu gewinnen, um weitere Kriegsverwendungsfähige aus
den rückwärtigen Diensten des Heeres und aus der Wirtschaft herausziehen
zu können.
Über die Güte der ins Feld gesandten Ersatzmannschaften war von
den Feldtruppen seit Anfang 1917 weniger Klage geführt worden als
früher. Gelegentlich wurden die durch kärgliche Ernährung verursachte
Körperschwäche sowie die unzulängliche Leistungsfähigkeit älterer Leute
beanstandet. Auch zunehmende Anzuverlässigkeit der aus Elsaß-Lothringen
und aus polnisch sprechenden Gebieten stammenden Mannschaften gab
wiederholt zu Klagen Anlaß. Vereinzelt kamen auch recht bedenkliche
Anbotmäßigkeiten bei Ersatztransporten vor-). Gegenstand häufiger Klagen
war die unzureichende Ausbildung der Ersatzmannschaften, namentlich
solcher, die nicht vorher in Feldrekrutendepots weiter gefördert waren.
Vor allem die Ausbildung im Schieß- und Gesechtsdienst sowie im Stel¬
lungskampf genügte oft nicht, manchmal aber fehlte es auch an Manns¬
zucht und soldatischer Haltung. In diesen Mängeln zeigte sich die Unzu¬
länglichkeit des den Ersatztruppenteilen schließlich noch verbliebenen Aus¬
bildungspersonals. Sie war zurückzuführen auf die immer wieder zu
leistende Abgabe aller kriegsverwendungsfähigen und tüchtigen Leute
*) Bd. XI, S. 37 ff.
2) Ende Juli verweigerten von 300 Mann, die aus dem Bezirk des III. Armeekorps
an die Westfront gehen sollten, 13 Unteroffiziere und 130 Mann unterwegs die Weiterfahrt
und wurden festgenommen. — Um dieselbe Zeit befanden sich allein 18000 Infanteristen
der preußischen Ersatztruppenteile im Arrest oder Gefängnis.