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Rückblick auf die Oberste Heeresleitung feit Herbst 1916.
allem aber des rechten Flügels der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz
empfohlen, der nach Verlust der bisherigen vorderen Stellungen durch
die französische Frühjahrsoffensive in wenig günstiger Linie stand, die
dauernd starke Besetzung erforderte. Auch im Wytschaete-Bogen, dann an
der gesamten Nordftont von Verdun, deren Zurücknahme die Heeres¬
gruppe Deutscher Kronprinz bereits im Januar vorgeschlagen hatte, und
ebenso im St.-Mihiel-Bogen wäre es möglich gewesen, durch Absetzen
vom Gegner günstigere Kampfbedingungen und damit eine Kräfte¬
ersparnis zu erzielen. Gewiß bekam bei jedem Ausweichen bald auch der
Gegner Kräfte frei, doch konnte man ihm gegenüber zeitlich einen wert¬
vollen Vorsprung gewinnen. Denkt man vollends rückschauend an die
schweren Rückschläge des 7. Zum bei Wytschaete, des 20. August bei Verdun
und des 23. Oktober an der Laffaux-Ecke mit erheblichen Einbußen an
Gefangenen und Geschützen, so kann die Zweckmäßigkeit des Ausweichens
an diesen Stellen, auch ohne daß man an anderer Stelle angreifen wollte,
kaum noch zweifelhaft sein.
Solches Ausweichen hätte auch durchaus dem vor Verdun bei den
ernsten Rückschlägen des 24. Oktober und 15. Dezember 1916 gemachten
Erfahrungen wie dem von der Obersten Heeresleitung selber mehrfach,
zuletzt noch in den Weisungen vom 10. Juni und verschärft am 25. Juli
19171) festgelegten Grundsatz entsprochen, daß ungünstig gelegene und
daher übermäßig viel Kräfte beanspruchende Stellungsteile rechtzeitig
aufzugeben seien. Warum man diesen richtigen Gedanken im Einzelfalle
nicht in die Tat umgesetzt hat, ist mit operativen oder rein taktischen Er¬
wägungen kaum zu erklären. Die Gründe sind aus psychologischem und
politischem, daneben auch auf taktisch-technischem Gebiet zu suchen, denn
jedes Ausweichen war im Stellungskriege wegen der Masse des eingebauten
Gerätes bei Mangel an Arbeitskräften und Gespannen überaus schwierig
und daher ohne Verluste an schwer ersetzbarem Material kaum unbemerkt
auszuführen; auch fehlten genügend vorbereitete rückwärtige Stellungen.
Vor allem aber verriet Ausweichen in jedemFalle Schwäche, zumal wenn es
sich um bisher zähe verteidigtes Gelände handelte. Gewiß konnte ein alsbald
folgender wirkungsvoller Schlag an anderer Stelle den ungünstigen ersten
Eindruck durchaus wieder wettmachen; es war das aber unter den ge¬
gebenen Gesamtverhältnissen eine recht unsichere Aussicht. So war
General Ludendorss an sich gegen jedes Ausweichen. Er hat das oft
genug durch Ablehnung bei ihm vorgebrachter Anregungen deutlich er¬
kennen lassen und sich auch zum Siegfried-Rückzuge nur sehr schwer ent-
schließen können. Er hat daher auch in Fällen, bei denen er selber gegen
') S. 30 u. 40.