Abschließende Betrachtungen.
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schwieriger und erforderte damit den Einsah stärkerer Kampfmittel und
schließlich auch frischer Truppen. Daß es Wochen dauerte, bis beide,
und auch dann nur mit beschränkter Munition herankamen, hat nicht
an irgendwelcher Unterlassung von Führung oder Truppe, sondern an
den schwierigen Verkehrs- und Nachschubverhältnissen im Gebirge gelegen.
Inzwischen aber hatte sich die Widerstandskraft des Gegners so weit ver¬
stärkt, daß man vor Ausgaben des Stellungskrieges stand, noch erschwert
durch Gebirge und herausziehenden Winter.
Eine weitere Frage ist, ob nicht der Angriff im Grappa-Gebiet durch
gleichzeitigen Angriff der Heeresgruppe Conrad auf dem westlichen
Brenta-Ufer wirkungsvoller unterstützt werden konnte. Dazu wäre aller¬
dings nötig gewesen, die Angrifsskraft dieser Heeresgruppe durch Zu-
fühmng geeigneter Truppen und reichlicher Artillerie nebst Munition recht¬
zeitig entscheidend zu stärken. Nun war bereits am 27. Oktober von meh¬
reren Seiten bei der österreichisch-ungarischen Heeresleitung angeregt
worden, alsbald starke Kräfte von der nunmehr allzu dicht besetzten Isonzo-
Front der Tiroler Front zuzuführen. Dafür standen zwei Bahnen, über
den Brenner und durch das Pustertal, zur Verfügung, wobei die durch
das Pustertal geleiteten Verbände von Franzensfeste ab auf Fußmarsch
angewiesen werden konnten. Tatsächlich sind aber nur zwei Divisionen,
beginnend am 29. Oktober, zur Heeresgruppe Conrad gefahren worden.
Die Betriebsverhältnisse der österreichischen Eisenbahnen geben dafür
allein keine ausreichende Erklärung. Da an der Front gegen Rußland Ruhe
herrschte, kann es an verfügbaren österreichisch-ungarischen Kräften nicht
gefehlt haben. Weitere Zuführung deutscher Divisionen verbot dagegen
die Lage im Westen, wo gleichzeitig in Flandern, bei Laffaup und schlie߬
lich bei Cambrai schwer gekämpft wurde.
Sieht man von der vielleicht vorhandenen Möglichkeit ab, die italie¬
nische Nordslanke durch rasche Inbesitznahme des Grappa-Blockes und
wirksames Eingreifen der Heeresgruppe Conrad zum Einsturz zu bringen,
so hat die Offensive in Italien schließlich durch die Gesamtverhältnisse
ihren natürlichen Abschluß gefunden. Die Truppen, die am 24. Oktober am
Isonzo einen stürmischen Siegeslauf begannen, hatten in 16 Tagen unter
Überwindung des Hochwasser führenden Tagliamento bis zu 140 Kilometer
Marschentfernung zurückgelegt. Die Schwierigkeit des Überganges über
diesen Fluß hatte aber die vorher dicht besetzte Front in schmale Ansänge
und große Tiefe aufgelöst. Der Nachschub kam erst recht nicht mit. Die
Truppe selber war von Kämpfen und Märschen schließlich schon erheblich
mitgenommen, als sie vor die neue, besonders schwere Ausgabe gestellt
wurde, die von Natur starke und hartnäckig verteidigte Grappa- und
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