228 Der Krieg an der italienischen Front. Angriff der Mittelmächte.
H?otb*£. schnitts-Reserven mit etwa 50 Brigaden auf einer Front von 85 Kilo¬
metern. Fn der ersten Oktoberhälfte waren Nachrichten über Abgabe von
Truppen zur Verstärkung der Front in Tirol gekommen; man sah darin
einen Erfolg der dort getroffenen Täuschungsmaßnahmen. Hinter der
Isonzo-Front wurden aber im Raume Cividale—Cervignano und östlich
davon immer noch etwa 37 Brigaden als Armee- und Heeres-Reserven
angenommen, von denen Teile in der letzten Zeit auch weiter nordwärts
verschoben sein mochten. Allee in allem bestand der Eindruck, daß der
Gegner die Angrifssvorbereitungen wohl erkannt habe, sich aber über
Zeitpunkt und Stärke des bevorstehenden Angriffs nicht im klaren war. Es
mochte ihn vollends irregemacht haben, daß der von den Überläufern ihm
vermutlich als Angriffstag bezeichnete 22. Oktober verstrich, ohne daß sich
etwas ereignete. Ausfallend blieb trotz allem die Untätigkeit seiner Artillerie.
Tatsächlich hatte General Graf Cadorna*) in Erwartung eines An¬
griffs an der Fsonzo-Front, an dem auch deutsche Truppen betelligt sein
würden, am 18. September für die 2. und 3. Armee Vorbereitung der
Abwehr „bis zum äußersten" befohlen. Am 21. September begründete er
diesen Entschluß in einer Mitteilung an die Generale Robertson und Foch
damit, daß das italienische Heer seit Mai des Jahres einschließlich Kranker
bereits 720000 Mann verloren habe*). Die Westmächte glaubten an eine
ernstliche Offensive der Mittelmächte in Italien nicht recht und zogen
daher die bisher für den Angriff zur Verfügung gestellten 200 schweren
Geschütze*) wieder zurück.
Gliederung und Stärke der Truppen an der Isonzo-Front entsprachen
im wesentlichen dem, was die Mittelmächte annahmen. Allerdings sehten
sich besonders die hinter der Front stehenden Reserven fast durchweg aus
Divisionen zusammen, die in der 11. Isonzo-Schlacht schwer geblutet hatten
und noch nicht wieder ausgefüllt waren. Sie waren also keineswegs als
voll zu rechnen.
Die italienische 2. Armee hielt ihre Augen nach wie vor in erster
Linie aus die Bainsizza-Hochsläche gerichtet und sah einem Angriff der
Mittelmächte mit großer Zuversicht entgegen. Ihr Führer, General
Capello, hielt es nicht für nötig, die feindlichen Angrifssvorbereitungen
durch Artilleriefeuer zu zerschlagen, sondern wollte die nicht gerade reich¬
lich vorhandene Munition für einen Gegenangriff auffparen, mit dem er
den Ostrand der Bainsizza-Hochsläche zu erreichen hoffte. Dementsprechend
*) Anschluß an S. 212.
*) Sir W. Robertson: „Soldiers and Statesmen“, S. 252.
*) Davon 100 erst während der 11. Isonzo-Schlacht anrollend (vgl. S. 208).