RückzugskSmpfe der Russen.
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der Rumänischen Front gestanden. Der Durchbruchsangriff des Generals
von Winckler hatte den Südflügel der 11. Armee getroffen, dessen Truppen
trotz zahlenmäßig fast dreifacher Überlegenheit schon frühzeitig unter Zu¬
rücklassung von Waffen und Gerät die Rückwärtsbewegung nach Osten
hinter den schützenden Seret antraten. Die Führung war demgegenüber
machtlos; Versammlungen der Truppenteile, die die Befehle der Vor¬
gesetzten besprachen und über ihre Ausführung beschlossen, sowie Eigen¬
mächtigkeiten jeder Art steigerten im weiteren Verlaus die Verwirrung.
Selbst ein besonders gutes Korps, wie das I. Gardekorps, verließ ohne Ge¬
nehmigung seinen Platz hinter der Front. Weisungen des Generals
Brussilow zum Standhalten und vollends zu Gegenangriffen blieben im
allgemeinen ebenso wirkungslos wie seine Bitten an die Kommissare bei
den höheren Stäben um Unterstützung der militärischen Vorgesetzten. Der
Versuch, der angegriffenen Front Reserven von anderen Armeen zuzu¬
führen, scheiterte an den Zuständen im rückwärtigen Gebiet. Der Ober¬
befehlshaber der Südwestfront, General Gutor, wurde durch den als be¬
sonders tatkräftig anerkannten und erfolgreichen Führer der 8. Armee,
General Komüow*), erseht. Dieser verbot im Bereiche der Kampfhand¬
lungen alle Versammlungen und drohte, sie nötigenfalls mit Waffen¬
gewalt auseinander zu jagen. Angesichts der in erschreckendem Maße zu¬
nehmenden Fahnenflucht ließ er neue zuverlässige Einheiten wie Sturm-,
Todes- und sogar Frauen-Bataillone ins Leben rufen. Sie sollten an
Brennpunkten verwendet werden, im übrigen dem Verfall mit den ent¬
schlossensten Maßnahmen, die auch zu Erschießungen führten, Einhalt tun;
ein derartiges Bataillon konnte allein am Grenzübergang östlich von
Tarnopol 12000 Fahnenflüchtige anhalten. Kriegsminister Kerenski, seit
21. Juli gleichzeitig Ministerpräsident, unterstützte diese Maßnahmen nach
Kräften, aber ohne entscheidende Besserung zu erreichen. Bei dem völligen
Zusammenbruch der 11. Armee blieb daher auch General Kornilow nichts
anderes übrig, als nacheinander die 7., 8. und schließlich die 1. Armee
zurückzunehmen. Dabei machten sich vor allem bei der 7. Armee bald ähn¬
liche Erscheinungen wie bei der 11. geltend. Immerhin gelang es, wenig¬
stens den Zusammenhang der Gesamtfront aufrechtzuerhalten. Diesem
Umstande, dem schärferen Durchgreifen gegen Meuterer und dem Stand¬
halten einzelner, zuverlässig gebliebener Truppenteile (neben den oben¬
genannten Formationen werden vor allem die 1. Brigade der 1. Garde-
Znfanterie-Division bei Tarnopol, sowie eine größere Zahl von Kavallerie-
Divisionen rühmend erwähnt) war es zu danken, daß sich schließlich an der
Reichsgrenze eine neue Widerstandsfront bilden konnte, die einzustürzen,
*) S. 150 u. 153ff.
Weltkrieg. XIII. Bd.
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