Volltext: Die Zweierschützen im Weltkrieg 1914 - 1918 5. Heft (5. Heft / 1956)

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bahnlinie, sondern nur die vom Feinde eingesehene Pre- 
dilpaßstraße führte, gebracht werden. Nun bewährte sich 
der ausgebaute Stollen von Raibl durch das Bergwerk 
nach Breth und die seinerzeit, hauptsächlich von russischen 
Gefangenen, erbaute Straße über den Mojsztrovkapaß 
und die Seilbahn über Baumbachhütte. Die Lösung all 
dieser Aufgaben war eine Glanzleistung des deutschen 
und österreichisch-ungarischen Generalstabes (hätte man 
doch Juni 1918 auch so zusammengearbeitet!). 
Der Angriff sollte am 22. Oktober starten, doch mußte 
er wegen des schlechten Wetters auf den 24. verschoben 
werden. Auch an diesem Tage war das Wetter regnerisch, 
trüb und nebelig, was aber der Überraschung sehr zustat 
ten kam. Die Italiener hatten ja erfahren, daß am 22. 
die Offensive beginne, wurden aber dann, als sie nicht 
kam, fast sorglos. 
In beiden Angriffsräumen (Flitsch und Tolmein) 
begann um 2 Uhr früh das Gasschießen gegen die ita 
lienischen Stellungen. Anschließend um 6.30 Uhr das 
Vernichtungsschießen und zwischen 7 und 8 Uhr brach 
der Jnfanterieangriff los. Bei Tolmein überrannte die 
12. deutsche Division die gegenüberstehenden Italiener 
und war mittags schon in Karfreit und abends schon auf 
halbem Wege nach Cividale. Bei Flitsch drang die öster 
reichisch-ungarische 22. Schützendivision bis Saga. Der 
Sieg entwickelte sich bis zur schärfsten Verfolgung. Die 
deutsche 14. Armee, die aus deutschen und österreichisch- 
ungarischen Truppen bestand, gab dem Ganzen die 
Schwungkraft. Ihre Deutschen Teile stießen gegen 
Codroipo und die Österreicher gegen Gemona vor. 
Die Heeresgruppe Boroevic, der auch wir angehörten, 
sollte den Stoß gegen den Tagliamento bei Latisana 
ausführen. Als weitestes Ziel dachte man ja nur bis an 
den Tagliamento zu kommen. 
Nun verstanden wir auch die schon einige Zeit kur 
sierenden Gerüchte bei uns und auch die zuletzt erfolgte 
Umgruppierung im Regiment. 
Schon am 23. Oktober hörten wir starkes Rollen von 
der Front, welches sich aber noch in der Nacht zum 
Trommeln steigerte. Freude zog in unser Herz. War es 
doch diesmal unser Feuer, das wir hörten. 
Am 25. hielt Oberst Christophori eine Offiziersver 
sammlung ab und deutete die kommenden Ereignisse an. 
Am 26. griff die vor uns liegende 17. Infanterie 
division den Fajti an, eroberte ihn unter geringen Ver 
lusten (die Italiener hatten zu spät mit dem Sperrfeuer 
eingesetzt) und brachte über 3400 Gefangene ein. 
Nun wurde es auch bei uns „locker". 
Leutnant Franz Peruaner und Leutnant Josef Ra- 
zima wurden vom I. Bataillon als Quartiermacher vor 
ausgeschickt, aber es gab nicht viel „Quartier" zu machen. 
Ohne Wege, über Gräben und Trichter ging es in die 
Feindstellungen am Fajti und in die zerschossene Ort 
schaft Fajti. Die Bataillone erreichten noch in der Nacht 
die befohlenen Räume. Wir beschlossen die Nacht in den 
von den Italienern verlassenen Kavernen und waren des 
Staunens voll, was wir da für Dinge fanden. Von der 
Schuhwichse bis zur Schminke, von der Nagelschere bis 
zum Rasiermesser, vom Schinken bis zur Konserve, vom 
Weißbrot bis zum Wein in den Feldflaschen fand man 
alles, was ein Zweierschütze schon lange nicht mehr ge 
sehen, geschweige denn gehabt hatte. 
Die herumliegenden Toten und oft gräßlich verstüm 
melten Verwundeten der Italiener wurden notdürftig 
versorgt bzw. begraben. 
Ungeheure Explosionen und Feuersbrünste im Westen 
ließen uns zum erstenmal die Größe der Niederlage 
beim Feinde ahnen. Warm, unendlich warm stieg es uns 
da zum Herzen auf. 
Zwei Jahre hatten wir um jeden Stein dieses blut 
getränkten Bodens unter uns gerungen und nun diese 
Belohnung für unsere Standhaftigkeit. Viele von uns 
weinten vor innerer Rührung. 28. Oktober: 
Immer wieder Regen! Wir marschierten ohne Weg 
und Steg nach Locvica. Tragtiere und Train waren 
weit zurück in Skrbina. So blieb nichts übrig, als das 
schwere Material und die Munition der Maschinen 
gewehrkompagnie zu tragen. Offiziere und Unteroffiziere 
schleppten mit der übrigen Bedienungsmannschaft ab 
wechselnd die schweren Gewehre und Munitionskistel, 
die mit ihren dünnen Drahtgriffen sehr schmerzhaft in 
den Händen lagen. Die schweren Schutzschilde hatten 
wir am Karst zurückgelassen und konnten sie ja später 
einmal holen. Jetzt hieß es nur vorwärts und hinter 
der Infanterie nicht zurückbleiben. Ab Locvica ging es 
auf Straßen dann schon leichter über S. Martino nach 
Straussina, gegenüber Gradiska am Jsonzo. Das II. 
und III. Bataillon kamen auf etwas anderen Wegen 
ebenfalls hieher. Der Abstieg vom Plateau war wieder 
erhebend und es gab wieder grandioses Feuerwerk zu 
schauen. Im Westen flog eine Munitionsfabrik in die 
Luft und riesige Brände glühten wie leuchtende Fackeln 
in die einbrechende Nacht. Wir waren plötzlich nicht 
mehr müde! 
In einem, vor Stunden erst von den Italienern ver 
lassenen, Barackenlager quartierten wir uns ein. Ein 
italienisches Monturdepot, voll mit Uniformen, Schuhen 
und Leibwäsche, wurde von unseren Leuten sogleich mit 
Eifer zur Ergänzung des eigenen zerrissenen Schuh 
werks und Wäschevorrates willkommen geheißen. Die 
Brücken über den Jsonzo waren natürlich gesprengt 
worden und unsere Technische Jnfanteriekompagnie 
wurde zur Errichtung eines, wenigstens für die Infan 
terie zu passierenden Steges, nach Sagrado befohlen.
	        
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