Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (6, Die Neuzeit ; Erste Periode / 1927)

Anhang 
er den doppelzüngigen „Wühlern“ gegen das Judentum zuzählt (das fünfte 
Kapitel des zehnten Bandes ist denn auch kurzweg „Die Wühler“ über 
schrieben) . 
Nun haben die letzten Jahrzehnte viel neues Material sowohl für die 
Biographie des Modena als auch für das von ihm aufgegebene Rätsel ge 
bracht. L. Blau publizierte den Briefwechsel des Modena nebst Ein 
leitung und inhaltsreichen Anmerkungen („Leo Modenas Briefe und 
Schriftstücke“, Budapest igoö). Daneben erschien die ehedem nur in 
Bruchstücken bekannte Autobiographie des Modena („Chaje Jehuda“, her 
ausgegeben von A. Kahana, Kiew 1912). Unter den Briefen des Modena 
fand sich ein von ihm im Namen der Gemeinde von Venedig abgefaßtes 
und an die Parnassim der Hamburger Gemeinde gerichtetes Schreiben 
(Blau, Nr. i56), das jenen Hamburger Ketzer betrifft, dessen verfäng 
liche Fragen Modena zur Abfassung der erwähnten Apologie vom Jahre 
1616 veranlaßt hatten, so daß der Anonymus auf gehört hat, jenes Phan 
tasiegebilde zu sein, als welches er Geiger galt. (Die neuesten Untersu 
chungen haben auch den Namen dieses Anonymus aufgedeckt: es war 
dies kein anderer als der sich damals in Hamburg aufhaltende Umstürz 
ler Uriel da Costa; s. unten, Note 5). In dem der Feder Modenas ent 
stammenden Schreiben wird dem Hamburger Ketzer, falls er sich nicht 
eines Besseren besinne, der Cherem angedroht. Im Jahre 1618 wurde 
dieser Cherem gegen alle „Lästerer der mündlichen Lehre“ sowohl in 
Italien wie in anderen Ländern von dem venezianischen Rabbinat auch 
tatsächlich proklamiert, worüber dann an die Gesamtheit der jüdischen 
Gemeinden eine Mitteilung erging, die vor kurzem in einer Sammlung 
rabbinischer Responsen im Wortlaut abgedruckt wurde („Sera Anaschim“, 
Nr. 29, Husiatyn 1902). Auf Grund all dieser Unterlagen hielt sich Blau 
für berechtigt, einen anderen Standpunkt als Geiger und Graetz einzu 
nehmen. Zwar ist auch er der Meinung, daß Modena sowohl der Urheber 
der „Stimme eines Toren“ („Kol Ssachal“) wie des „Löwengebrülls“ 
(„Schaagath Ari“) sei, daß er, mit anderen Worten, sowohl die Gründe 
der Gegner wie der Verfechter des Talmud zur Formulierung gebracht 
habe, doch hätte er sich dabei von dem aufrichtigen Bestreben leiten 
lassen, die Ketzer zu widerlegen, und es sei daher nur auf einen Zufall 
zurückzuführen, daß seine Apologie viel lückenhafter und viel weniger 
überzeugend ausgefallen ist, als die von ihm selbst formulierte Kritik des 
Talmudismus (op. cit., 85—95). 
Ohne auf die von den Forschern geltend gemachten Pro- und Contra- 
Gründe (s. Bibliographie zu § 19) näher einzugehen, möchte ich hier nur 
in aller Kürze die im Text vertretene Ansicht von der inneren Zwiespältig 
keit des Modena durch die folgenden allgemein gehaltenen Erwägungen 
begründen: 
1. Von der schwankenden Haltung des Modena in der Frage der Ver 
bindlichkeit der mündlichen Lehre zeugt der Umstand, daß er zweimal 
auf sie zurückkam, zunächst auf äußere Veranlassung hin (in der von ihm
	        
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