Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (6, Die Neuzeit ; Erste Periode / 1927)

§ 49. Die ersten jüdischen Siedlungen in Amerika 
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greifende Familientragödie zum Hintergründe. Der junge x4rzt Fran 
cisco da Silva, der einer in Peru ansässigen und sich streng an die 
katholischen Riten haltenden Marranenfamilie entstammte., hatte sich 
nämlich in das Studium der Bibel vertieft und fühlte sich bald zu 
dem Glauben seiner Väter unwiderstehlich hingezogen. Zunächst hielt 
Francisco seinen neuen Glauben vor seinen Angehörigen, seiner Gat 
tin, Mutter und seinen zwei Schwestern, geheim, vermochte aber nicht 
lange zu schweigen und weihte seine Lieblingsschwester Isabella, 
die er gleichfalls für das Judentum zu gewinnen trachtete, in das 
Geheimnis ein. Eine gottesfürchtige Katholikin, ließ sich indessen 
Isabella von den Beweisgründen ihres Bruders keineswegs überzeugen; 
sie begann vielmehr darüber nachzudenken, wie sie seine sündige 
Seele vor ewigem Höllenfeuer bewahren und ihre eigene von der 
Sünde der Mitwisserschaft erretten könnte. Nach schwerem inneren 
Ringen entschloß sie sich, die auf ihr lastende Sünde den geistlichen 
Vätern zu beichten, und so ward das Geheimnis des Francisco ver 
raten. Gegen Ende des Jahres 1621 wurde er auf Befehl des Inqui 
sitionstribunals von Lima festgenommen, um nie mehr die Freiheit 
wiederzuerlangen. Siebzehn Jahre lang dauerte die Haft, während der 
der Abtrünnige immer wieder von gelehrten Mönchen auf gesucht 
wurde, die ihn der „Religion des Teufels“ abspenstig zu machen 
suchten. Francisco blieb jedoch standhaft und erwiderte, daß er als 
Jude leben und sterben wolle. In den langen Jahren der Gefangen 
schaft schrieb er in spanischer und lateinischer Sprache Kommentare 
zur Bibel sowie Abhandlungen, in denen er die Judaisierenden auf den 
Weg des wahren Glaubens wies. Der gegen da Silva eingeleitete Pro 
zeß zog sich aus dem Grunde so sehr in die Länge, weil die Inquisi 
tion inzwischen einer weitverzweigten Gruppe von judaisierenden Mar- 
ranen auf die Spur gekommen war, die sich in Lima, im Hause ihres 
als mustergültiger Katholik geltenden Gesinnungsgenossen Perez 
zur Andacht zu versammeln pflegten. Am 2 3. Januar 1689 kam es 
schließlich in Lima zu einem feierlichen Autodafe, bei dem zusammen 
mit vielen Angehörigen dieser Gruppe auch Francisco da Silva den 
Flammentod erlitt. 
Die weitausgedehnte Kolonie der Portugiesen in Südamerika, Bra 
silien, wies schon im XVI. Jahrhundert bedeutende jüdische Sied 
lungen auf, da die Lissaboner Regierung dorthin zusammen mit ge
	        
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