Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (6, Die Neuzeit ; Erste Periode / 1927)

§ 49. Die ersten jüdischen Siedlungen in Amerika 
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als „Kapitän“ im Dienste eines der indischen Herrscher stand. Nach 
heimatlichem Brauche zwang Yasco da Gama den Juden, die Taufe 
anzunehmen, bei der er ihm den Namen Gaspar da Gama gab. Später 
beteiligte sich Gaspar auch an einer zweiten portugiesischen Expe 
dition, an deren Spitze Cabral stand und die Portugal den Besitz von 
Brasilien sicherte (i5o2). Der Lohn, der den jüdischen Ansiedlern 
in den neueroberten Kolonien von den Portugiesen zuteil wurde, war 
freilich der gleiche wie in Spanien: die Inquisition ließ die Marranen 
nicht aus dem Auge und schleppte die des Judentums Überführten 
auf den Scheiterhaufen. 
Die spanischen Besitzungen in der Neuen Welt waren bekanntlich 
alle in Zentral- und Südamerika gelegen; diese Gebiete waren es nun, 
wohin sich, die ihnen in den Weg gelegten Hindernisse überwindend, 
Scharen von Marranen wandten: die einen nur um des Handels wegen, 
die anderen in der Hoffnung, sich dort in Sicherheit vor den Verfol 
gungen der Inquisition zu wissen. Diese Hoffnungen sollten indessen 
nicht in Erfüllung gehen. Schon in den ersten Jahrzehnten nach der 
Begründung der neuen Siedlungen in Amerika wurden einzelne der 
dort wirkenden Bischöfe von den Königen zu Inquisitoren ernannt 
und erhielten die Vollmacht, gegen das Ketzertum anzukämpfen, so 
die Bischöfe von Kuba und Portorico (i5i6—iÖ2o). Unter Karl V. 
wurde die Inquisition auch in Mexiko eingeführt. Im Jahre i53g 
fand hier ein Autodafe statt, wobei sich unter der zur öffentlichen 
Buße oder „Aussöhnung mit der Kirche“ Verurteilten auch eine Gruppe 
judaisierender Marranen befand. In den folgenden Jahrzehnten, als 
die Reformation ihren Höhepunkt erreichte, fielen hier der Inquisi 
tion vornehmlich jene Emigranten zum Opfer, die sich zum Luther 
tum oder Calvinismus bekannten. Unter Philipp II. wandte man je 
doch in den spanischen Kolonien erneut den Marranen, die an manchen 
Orten fast unverhohlen ihr Judentum zur Schau trugen, größere Auf 
merksamkeit zu. Im Jahre 1571 wurde in Mexiko ein regelrechtes 
Inquisitionstribunal begründet, das die Aufgabe hatte, „das von Ju 
den und Ketzern, vorwiegend portugiesischer Nation, entweihte Land“ 
gründlichst zu säubern. Gegen Ende des XVI. und zu Beginn des 
XVII. Jahrhunderts erregte dort ein Prozeß, der der Familie Garvajal 
zum Verhängnis wurde, größtes Aufsehen. Das Haupt dieser Familie, 
der portugiesische Marrane Luis Carvajal, genoß den Ruf eines so 
frommen Katholiken, daß er zum Gouverneur der mexikanischen
	        
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