Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (6, Die Neuzeit ; Erste Periode / 1927)

Das autonome Zentrum in Polen 
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belastet. Zugleich war der Sejm bestrebt, in den jüdischen Handel 
regelnd einzugreifen. Im Jahre i643 arbeitete ein Ausschuß des in 
Warschau zusammengetretenen Reichstags einen Entwurf aus, wo 
nach der kaufmännische Gewinn gemäß der folgenden Skala normiert 
werden sollte: der Pole sollte beim Warenverkauf einen Gewinn von 
höchstens sieben Prozent, ein Ausländer von fünf Prozent, ein Jude 
aber von nur drei Prozent erzielen dürfen, und sie alle sollten sich eid 
lich verpflichten, diese Profitsätze nicht zu überschreiten. Die Urheber 
dieses Entwurfes glaubten wohl einer vaterländischen Pflicht zu ge 
nügen, indem sie die ausländischen Kaufleute hinter den inländischen 
Christen, die Juden aber sogar noch hinter den Ausländern rangieren 
ließen, ohne zu merken, daß sie den Juden dadurch eigentlich einen 
großen Dienst erwiesen: der verringerte Gewinn mußte die von den 
Juden abgesetzte Ware verbilligen, ihre Konkurrenzfähigkeit gegen 
über den Mehrverdienern erhöhen und ihnen so durch den vergrößer 
ten Umsatz das ersetzen, was sie durch den vorgeschriebenen Preis 
abschlag einbüßten. Es bleibt freilich unbekannt, ob der Entwurf je 
Gesetzeskraft erlangte, aber auch unabhängig von derlei Vorschriften 
pflegten die jüdischen Kaufleute für ihre Waren ebenso wie die jü 
dischen Handwerker für ihre Erzeugnisse stets einen billigeren Preis 
als die christlichen Kaufleute und Meister zu verlangen, da ihre An 
sprüche an das Leben viel bescheidener waren und sie die Vorteile 
eines rascheren Warenumsatzes richtig einzuschätzen wußten. Gerade 
diese Rührigkeit war es ja, die bei ihren christlichen Rivalen mehr 
als alles andere böses Blut machte und sie in jenen „heiligen Krieg“ 
trieb, den sie im Zeichen des als Christus verkleideten Merkur immer 
wieder vom Zaune brachen. 
Unter Wladislaw IV. war diese uralte Fehde in den Städten in be 
sonders empfindlicher Weise zu spüren. Die Christen- und die Juden 
stadt, Magistrate und Kahale, waren in endlose Prozesse gegeneinan 
der verwickelt und bestürmten fortwährend König und Sejm mit 
ihren Beschwerden und Klagen. Diese Kette der vor den Gerichten 
und Kanzleien ausgetragenen Streitigkeiten wurde immer wieder von 
Inquisitionsprozessen unterbrochen, so vor allem in Krakau. Unter 
Berufung auf die ihnen im Krönungssejm des Jahres i633 vom 
König zuerkannten Freiheiten glaubten nämlich die Juden in Kra 
kau die Entrichtung der ihnen vom Magistrat auferlegten Sonderab-
	        
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