Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (6, Die Neuzeit ; Erste Periode / 1927)

§12. Die katholische Reaktion: Papst Paul IV. 
samten Kirchenjustiz die Krone auf. Gegen das wirksamste Aus 
drucksmittel des menschlichen Geistes, die Buchdruckerkunst, wird 
die päpstliche Zensur ins Treffen geführt, ein teuflisches Instrument 
zur Vernichtung des Buches, zur Marterung des freien Gedankens 
(„Index librorum prohibitorum“: „Register der verbotenen Bücher“). 
So wird der Boden für die brudermörderischen Religionskriege vor 
bereitet, die Europa ein Jahrhundert lang nicht zur Ruhe kommen 
lassen sollten. Das Tridentinische Konzil (i545—1563) erteilte all 
diesen Kriegsrüstungen Roms seine vorbehaltlose Sanktion, und bald 
bekamen Nahe und Ferne, der seine besonderen Wege gehende Christ, 
der Dissident, wie der bei seinem „Unglauben“ beharrende Jude den 
Ingrimm der Kirche in gleicher Weise zu spüren. 
Das Zeitalter der liberal gesinnten Päpste der ersten Hälfte des 
XVI. Jahrhunderts erreicht mit dem Tode Pauls III. seinen Ab 
schluß. Sein Nachfolger Julius III. (i55o—1555) steht bereits im 
Zeichen der sich Bahn brechenden Reaktion. Zwar vertraut er sei 
nen heiligen Leib noch der Fürsorge jüdischer Ärzte an und läßt 
die in Ancona und auf anderen päpstlichen Besitzungen wohnhaften 
spanischen und portugiesischen Marranen unbehelligt, doch geht es 
über seine Kraft, dem vereinten Ansturm des Tridentinischen Kon 
zils, des Jesuitenordens und der Inquisition Widerstand zu leisten. 
Unter ihm beginnen die Mitglieder des römischen Inquisitionstribu 
nals, des „Sanctum officium“, ihre Aufmerksamkeit in immer stei 
gendem Maße den durch die Buchdruckerpresse verbreiteten 
„schädlichen Büchern“ zuzuwenden. Um diese Zeit war aber Italien 
gerade das Hauptzentrum der jüdischen Buchdruckerkunst: aus 
den Druckereien von Mantua, Ferrara und namentlich aus denen 
von Venedig gingen hebräische Bücher in Tausenden von Exempla 
ren hervor. Bereits in den zwanziger Jahren des XVI. Jahrhunderts 
brachte der berühmte christliche Druckereibesitzer Daniel Bömberg 
in Venedig eine vollständige Ausgabe des mit rabbinischen Kom 
mentaren versehenen Textes des babylonischen und des jerusalemi- 
schen Talmud heraus. Dies bereitete den Inquisitoren schon längst 
größten Kummer. Wie drei Jahrhunderte früher in Spanien und 
Frankreich, fanden sich nun auch hier unter den getauften Juden 
niederträchtige Denunzianten, die auf der Verleumdung der ehema 
ligen Glaubensgenossen ihr eigenes Glück aufzubauen versuchten. Es
	        
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