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Der Zusammenbruch des jüdischen Zentrums in Spanien
Die Parteien gerieten zuerst in der Kathedrale aneinander, worauf
die Feindseligkeiten auch auf die Stadt Übergriffen. Der Alcalde und
der Führer der Neuchristen Ferdinando de la Torre besetzten alle in
die Innenstadt führenden Brücken und Tore und ließen die Sturm
glocke läuten, um ihre Anhänger zur Selbstwehr zu versammeln; die
Altchristen alarmierten ihrerseits die Einwohner der Vorstädte, denen
es gelang, das von ihren Widersachern bewohnte reiche Stadtviertel
in Brand zu stecken, wobei mehr als tausend Häuser ein Raub der
Flammen wurden. Etwa hundertdreißig Marranen kamen im Hand
gemenge um und auch ihr Anführer de la Torre fand am Galgen
den Tod.
Sechs Jahre später wiederholten sich die Ausschreitungen in
Cordova. Die vom Ortsbischof protegierten Klerikalen hatten hier
eine Brüderschaft unter dem Namen „Christliche Liebe“ gegründet,
von der dem Statute gemäß die Marranen ohne Rücksicht auf Rang
und Würde ausgeschlossen waren. Dies veranlaßte nun die Marranen,
als die Brüderschaft einmal (im März 147 3) eine feierliche Kirchen
prozession veranstaltete, ihre Häuser demonstrativ zu verschließen und
völlig ungeschmückt zu lassen, was die Menge in heftige Erregung
versetzte. Plötzlich verbreitete sich das Gerücht, ein Mädchen hätte
aus einem Marranenhause, an dem die Prozession vorbeizog, Spülwasser
zum Fenster hinausgegossen, wobei das Bild der Mutter Gottes be
sudelt worden sei. Daraufhin rannte die in Raserei geratene Menge
unter Anführung eines Schmiedes mit brennenden Fackeln zu den
Häusern der Marranen, um mordend und plündernd unter ihren Be
wohnern zu wüten. Der Stadthauptmann Alfonso de Aguilar, dessen
Frau einer Marranenfamilie entstammte, sowie sein Bruder, der spä
ter von der spanischen Armee als der „große Kapitän“ verherrlichte
Gonsalvo de Cordova ließen jedoch gegen die Mordgesellen einen
Trupp Soldaten vorrücken. Als der Stadthauptmann die Menge auf
forderte, die Gewalttaten unverzüglich einzustellen, wurde er von dem
die Menge anführenden Schmied mit den unflätigsten Schimpfreden
überhäuft, worauf ihn Aguilar mit seinem Schwerte niederschlug.
Dies goß indessen nur Öl ins Feuer. Mit lauten Rufen nach Rache
stürzte sich die durch neuen Zulauf verstärkte Menge auf die Marra
nen und ihre Verteidiger, überrannte die kleine Soldatenschar und
setzte ihr Vernichtungswerk mit noch größerer Grausamkeit fort:
Erwachsene wie Kinder wurden in bestialischer Weise niedergemetzelt,