tDas französische Zentrum und die englische Kolonie
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es dem Könige nach und waren bestrebt, aus der in ihren Besitzungen
lebenden jüdischen Bevölkerung den größtmöglichen Nutzen zu ziehen.
Dies gab Anlaß zu mancherlei territorialen Streitigkeiten zwischen
dem König und den Feudalherren oder Seigneurs, deren Gegenstand
die Hoheitsrechte in bezug auf die ihren Wohnsitz wechselnden Juden
bildeten; die Konflikte wurden dadurch beigelegt, daß die Parteien
sich gegenseitig zur Auslieferung der Übergesiedelten verpflichteten.
So mußte Philipp August einst der Gräfin von Champagne den ihr
untergebenen reichen Juden Cresselin, der sich in einem Kronlande
niedergelassen hatte, zurückerstatten (i2o3); später wurde die gegen
seitige Auslieferung solcher „flüchtig gewordenen 4 * Juden auch grund
sätzlich festgelegt (1210). Ähnliche Verträge schlossen auch die ein
zelnen Seigneurs untereinander. Seitdem ist in den Urkunden immer
häufiger die Bezeichnung „königlicher Jude“ („judaeus regis“) an
zutreffen, den man so von seinem irgendeinem Grafen oder Baron
Untertanen Stammesgenossen zu unterscheiden pflegte.
Der Nachfolger Philipps, der fromme Ludwig VIII. (1228 bis
.1226), der noch als Kronprinz die Ketzer im Süden in blutigster
Weise verfolgte, machte von neuem den Versuch, den Weg der Re
pressalien zu beschreiten. Er erklärte alle den Juden gegenüber ein
gegangenen Schuldverpflichtungen, insofern sie länger als fünf Jahre
bestanden, für null und nichtig und dispensierte außerdem auch die
übrigen Schuldner von jeder Zinsentrichtung: die Kapitalschuld selbst
sollte den Juden im Laufe von drei Jahren durch diejenigen zurück
gezahlt werden, „denen sie untergeben“ waren, freilich erst nach Ab
zug entsprechender Kommissionsgebühren zugunsten des Königs oder
der Barone. Zugleich wurde der mit den Baronen geschlossene Ver
trag hinsichtlich der gegenseitigen Auslieferung der übergesiedelten
Juden aufs neue bekräftigt. Feste Formen nahm diese von kirchlichem
Geiste getragene Unterdrückungspolitik aber erst unter Ludwig IX.
dem Heiligen (1226—1270) an, der in der jüdischen Geschichte ein
trauriges Andenken hinterlassen hat.
Dieser König verkörperte gleichsam das von der Kirche erträumte
Ideal eines den Päpsten mit Leib und Seele ergebenen Monarchen.
Während sein Großvater, Philipp August, die Juden bald vertrieb,
bald wieder begünstigte, je nach den von ihnen zu erwartenden mate
riellen Vorteilen, war der allen irdischen Gütern abholde Ludwig für
Judenverfolgungen um des Ruhmes des Christentums willen stets ohne