Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

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§ 11. Das antijudaistische Element im Neuen Testamente 
ches von vielen, die vor ihm über das Leben und die Werke Christi 
geschrieben haben, und erklärt offen, er hätte sein Werk zu dem 
Zwecke unternommen, um die neubekehrten Christen mit den Grund 
lagen der Lehre, in welcher sie unterrichtet wurden, vertrauter zu 
machen. (Dies ist der Inhalt der Widmung an das Mitglied der Sekte 
Theophilus.) Der Verfasser verfolgt somit didaktische Zwecke. So 
erläutert er denn in aller Ausführlichkeit die Erzählung des Evan 
gelisten Markus und ergänzt sie auf Grund anderweitiger Quellen 
und mündlicher Überlieferungen, ganz im Geiste der Heidenchristen 
aus der paulinischen Schule. Die wunderbare Empfängnis Christi 
durch den Heiligen Geist ist im Lukasevangelium in einer Form 
dargelegt, die lebhaft an die griechisch-römischen Mythen von den 
Geburten der Helden erinnert, die ein Zeus oder Apollo mit irdischen 
Frauen zeugten: in dieser Form mußte die Idee des Gottessohnes 
den neubekehrten Heiden eher einleuchten (i, 2 0—35). Die Genea 
logie Jesu steigt hier nicht nur bis zum König David und dem Erz 
vater Abraham, sondern unmittelbar bis zu Adam, „der Gottes war“ 
(3, 38), auf: damit wollte der Verfasser die paulinische Idee zum 
Ausdruck bringen, wonach Christus ein „zweiter Adam“ sei, der von 
dem Sündenfall des ersten nicht nur die Juden allein, sondern auch 
das ganze Menschengeschlecht erlöste. Lukas kommt nicht mehr auf 
die Worte Jesu zurück, nach denen er nur zu den „verlorenen Scha 
fen aus dem Hause Israel“ gesandt worden sei und wonach man die 
Samaritaner und Heiden meiden solle (Matth, io, 5—6 und sonst), 
sondern behauptet vielmehr oft das Gegenteil, daß nämlich Jesus 
die Samaritaner und sogar die Heiden den Juden vorgezogen hätte 
(vgl. die Erzählung von dem Samaritaner, der den Priester und den 
Leviten an Herzensgüte übertraf, sowie die über Tyrus und Sidon: 
Luk. 4, 26—27; IO > 14, 3o—37). J esus erscheint hier als ein 
entschiedener Feind jeder Geburts- und Geistesaristokratie und ist ein 
Freund der Armen, Erniedrigten, der Zöllner und Sünder (6, 20 f.; 
7, 36; i5, 1 f.; 18, 24 u. a.). Besonders kraß tritt sein Haß gegen 
die Pharisäer hervor (11, 3g f.; 12, 1 u. a.). Jerusalem wird end 
gültig dem Untergange geweiht, wenn auch stellenweise in sehr rüh 
renden Wendungen (19, 4if.; 21, 20 f.). Es ist überaus bezeich 
nend, daß das Verhalten der römischen Behörden dem Stifter des 
Christentums gegenüber hier beinahe freundschaftlich erscheint. So 
erklärt Pilatus trotz des indirekten Eingeständnisses Jesu, er sei „der
	        
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