Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

Das geistige Leben unter dem Synhedrion von Jabne 
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ein galiläischer „Zimmermann, der Sohn Marias und der Bruder des 
Jakobus und Josef und Judas und Simon“ (6, 3), der allerdings 
mit der Kraft, Wunder zu vollbringen, begnadet ist. So beginnt denn 
auch Jesus seine Wirksamkeit als ein volkstümlicher wunderwirkender 
Heilkünstler: er heilt Sieche, gibt den Blinden das Augenlicht wie 
der, treibt die „bösen Geister“ aus den Besessenen aus. Nachdem er 
sich auf diese Weise das Vertrauen des gemeinen Volkes gesichert 
hat, nimmt er den Kampf mit den hochmütigen Gelehrten, den 
Pharisäern, auf und erweckt ihr Ärgernis durch die öffentliche Ver 
letzung der strengen Sabbatvorschriften, der Speisegesetze u. dgl. 
Dieser Kampf verschärft sich besonders, als Jesus aus Galiäa nach 
Jerusalem kommt (Kap. 10—12). Hier gerät er in Widerstreit auch 
mit den Sadduzäern, „die da halten, es sei keine Auferstehung“, und 
mit den Zeloten, denen gegenüber er die Meinung verficht, daß man 
dem römischen Staat den Zins nicht vorenthalten dürfe und dem 
Kaiser geben müsse, „was des Kaisers ist“ 1 ). Mitten unter diesen ein 
ander bekämpfenden Strömungen steht Jesus, von einem Häuflein 
Jünger umgeben, ganz vereinsamt da und wird bald vor das Gericht 
des Synhedrion und des Pilatus zitiert. Die antijüdische Tendenz des 
Markusevangeliums kommt darin zum Ausdruck, daß es für die Hin 
richtung Jesu lediglich die Juden veranwörtlich macht, während 
Pilatus als ein nur widerwillig nachgebender Vollstrecker ihrer 
Forderung erscheint; es mag sein, daß der Verfasser in diesem letzten 
Punkte auch der Zensur der römischen Behörden Rechnung trug und 
namentlich die Gefühle der Heidenchristen Roms, für die sein Buch 
bestimmt war, nicht verletzen wollte. Markus stand zweifellos unter 
dem Einfluß der paulinischen Lehren und war bestrebt, dem Chri 
stentum den Weg aus den engen Grenzen Judäas zum weiten Schau 
platz des römischen Reiches zu bahnen. Sein Evangelium scheint er 
bald nach dem Falle Jerusalems (um 75) abgefaßt zu haben, zu 
einer Zeit, da das nationalpolitische Los des Judentums bereits als 
besiegelt galt. Darum vermag er noch in aller Lebhaftigkeit die Stim 
mung jener fürchterlichen „Tage der Trübsale, wie sie nie gewesen 
sind vom Anfang der Kreatur“, wiederzugeben, da die „Sonne ihren 
Schein verlor und die Sterne vom Himmel gefallen sind und die 
Kräfte der Himmel sich bewegten“; auf diesem Hintergründe sah er 
1 ) Vgl. Band II, §$ 100—ioi, Kapitel „Entstehung des Christentums“.
	        
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