Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

Das Synhedrion zu Jahne 
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nen Willen ging, verstieß seine Tochter, so daß die jungen Eheleute 
in äußerstem Elend ihr Leben fristen mußten. Die Not stieg so weit, 
daß sich Rahel eines Tages gezwungen sah, ihr herrliches Haar ab 
zuschneiden und zu verkaufen, um sich und den Kindern Brot zu 
verschaffen. Akiba trennte sich aber bald von seinem geliebten Weibe, 
um zu den „Stätten der Gelehrsamkeit“ zu wandern und die Schu 
len der berühmten Gesetzeslehrer Elieser ben Hyrkan in Lydda und 
Josua ben Chananja zu besuchen, bis er schließlich selbst zu einem 
Manne von hervorragender Gelehrsamkeit wurde. Von dem Nimbus 
des genialen Gesetzeslehrers umstrahlt, kehrte dann Akiba nach vie 
len Jahren, in Begleitung seiner zahlreichen Jünger, zu seiner Gattin 
zurück. Er wurde nun zu einem der tatkräftigsten Mitglieder des 
Synhedrion von Jabne und einer der nächsten Mitarbeiter des Pa 
triarchen Gamaliel II. Seine eigene Schule, zu der die Wissensdursti 
gen in Scharen herbeiströmten, befand sich in der Nähe von Jabne, 
in dem Städtchen Bne-Barak. 
In der Geschichte der Entwicklung der mündlichen Lehre steht 
der Name Rabbi Akibas in einer Reihe mit dem Hillels. Die von Hillel 
in die Wege geleitete Methode der Thorainterpretation wurde von 
Akiba bis zu ihren äußersten Konsequenzen weitergeführt. In dem 
Bestreben, das schriftliche und mündliche Gesetz zu einem unzer 
trennlichen Ganzen zu verbinden, begnügte sich Akiba bei seinen 
Schlußfolgerungen aus den Thoravorschriften nicht allein mit der 
logischen Ausdeutung des Sinnes der Thora, sondern interpretierte 
oft zu diesem Zwecke auch ihren Buchstaben, ihre Ausdrucksform 
und sogar die grammatischen Eigenheiten der biblischen Redeweise. 
In den Fällen, wo der Bibeltext keine logische Unterlage für die 
erforderliche Begründung einer Gesetzestradition oder einer gesetz 
geberischen Novelle gewährte, suchte Akiba wenigstens in den Rede 
wendungen oder gar in einzelnen Wörtern irgendeinen Stützpunkt 
dafür zu finden. Der Talmud sagt von Akiba, daß er „an jedes 
Häkchen der Schrift ganze Haufen von Halachoth hängte“. Es ge 
lang ihm, die nachbiblische „mündliche Lehre“ mit der Heiligen 
Schrift so zu verknüpfen, daß es einerseits schien, als sei jeder Lehr 
satz der mündlichen Lehre in der göttlichen Offenbarung verankert, 
während andererseits die mündlichen Gesetze durch den herges teilten 
Zusammenhang mit den ihnen angeblich zugrunde liegenden biblischen 
Geboten dem Gedächtnis eingeprägt bleiben mußten. Auf diese Weise
	        
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