Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

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Das Synhedrion zu Jahne 
nachrichtigt zu werden pflegten. Somit ging nun von Jabne die Re 
gelung eines der wichtigsten Elemente des Volkslebens aus; dadurch, 
daß sich dort jetzt das leitende Organ des inneren Volkslebens befand, 
wurde die Diaspora nach der Zerstörung des nationalen Zentrums in 
Jerusalem mit dem Heimatlande durch neue Bande verknüpft. 
Ein anderes hervorragendes Werk des Jochanan ben Sakkai war 
die Gründung eines akademischen Zentrums in Jabne. Das Lehrhaus, 
„Beth-ha’midrasch“, stand in engstem organischem Zusammenhang 
mit dem „Beth-din“ oder Synhedrion, da die theoretische Ausarbei 
tung der Grundsätze der religiösen Lebensführung und der Normen 
des Zivilrechts auch deren praktische Handhabung bestimmte. Das 
selbe Gelehrtenkollegium war in eifrigster Weise in beiden Institu 
tionen tätig, die im Grunde genommen nur zwei verschiedene Ab 
teilungen ein und derselben Institution bildeten. Seit der Reformie 
rung der „mündlichen Lehre“ in den Zeiten des Hillel und Schammai 
wurde der Einfluß der Schule auf die Gesetzgebung, der Einfluß der 
„Legisten“ auf die Selbstverwaltung immer ausschlaggebender. Die 
Methode der Gesetzesinterpretation, derzufolge die neuen Gesetz 
gebungsnormen auf logischem oder kasuistischem Wege aus dem 
Thoratext („midrasch ha’thora“) gefolgert wurden, eröffnete den 
Rechtsgelehrten ein weites Betätigungsfeld und veranlaßte die Heraus 
bildung verschiedener Richtungen unter ihnen. Der alte Streit 
zwischen den Schulen des Hillel und des Schammai (Beth Hillel und 
Beth Schammai) dauerte fort. Die Hilleliten strebten danach, die 
„Umzäunung der Thora“ ohne übertriebene Reglementierung des all 
täglichen Lebens durchzuführen, während die rigoristisch eingestell 
ten Schammaiten vor keinen Auswüchsen in dieser Hinsicht zurück 
schreckten, indem sie namentlich die die Juden von den umgebenden 
Völkern absondernden Gesetze zu verschärfen trachteten. Was nun 
Jochanan ben Sakkai betrifft, so war er ein Anhänger der gemäßigten 
Schule des Hillel, in deren Geiste er auch die Arbeit des Gelehrten 
kollegiums in Jabne zu beeinflussen suchte. Seiner Autorität war es 
zu verdanken, daß viele umstrittene Fragen der Gesetzeskunde in 
Übereinstimmung mit den Lehren der Hilleliten entschieden werden 
konnten. 
In den akademischen Kreisen von Jabne ging man auch zuerst 
daran, den auf gehäuften Stoff der „mündlichen Thora“, der später 
in den Bestand der Mischna aufgenommen wurde, zu sichten und
	        
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