Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

§ 26. Das parthische und neupersische Babylonien 
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bürgerlichen Verpflichtungen beschränkten sich fast ausschließlich 
auf die Abführung von Kopf- und Grundsteuern an die Staatskasse, 
während sie zur Befriedigung aller sonstigen sozialen und geistigen 
Bedürfnisse ihre eigenen administrativen, gerichtlichen und munizi 
palen autonomen Institutionen, sowie ihr eigenes Oberhaupt, den 
„Exilarchen“, besaßen, dessen Würde der Würde des palästinensi 
schen Patriarchen entsprach. 
Der hoho Wohlstand und die innere Unabhängigkeit, zu denen sich 
die babylonischen Juden aufgeschwungen hatten, waren jedoch durch 
eine jäh hereingebrochene politische Krise in schwerste Gefahr ge 
raten. Nach vierhundertjähriger Herrschaft kam nämlich die par- 
thischo Dynastie der Arsaciden zu Fall. Die Urbewohner des Landes, 
die Perser, die sich der fremdstämmigen Dynastie gegenüber stets 
«feindselig verhalten hatten, machten endlich in einem Aufstande ge 
gen den König Artaban IV. ihrem Unwillen Luft. Der Führer der 
Aufständischen war ein Nachkomme des altpersischen Geschlechts der 
Sassaniden namens Ardeschir (Artaxerxes), der das Gebiet von Persis 
mit der alten Stadt Persepolis (Istachar) als Vasallenfürst unter sich 
hatte. Nachdem er sich zum unabhängigen Herrscher dieses Gebietes 
ausgerufen hatte, bemächtigte er sich nach und nach des ganzen Iran 
und der übrigen parthischen Länder, darunter auch Babyloniens. Der 
letzte parthische König Artaban IV. fiel im Kampfe gegen die Auf 
ständischen, und der Sieger Ardeschir legte sich darauf den Titel „der 
König der Könige des Iran“ bei (226). So bildete sich das Neuper 
sische Reich, das vier Jahrhunderte lang unter der Herrschaft der 
Sassaniden bestand. Als Hauptstadt des neuen Reiches galt offiziell 
die heilige Stadt Persepolis, wo sich der „Feuertempel“ des könig 
lichen Hauses befand, doch behielt die politische Führung des Landes 
nach wie vor die ehemalige parthische Hauptstadt Ktesiphon, die, wie 
erwähnt, mitten unter den großen jüdischen Siedlungen Babyloniens 
gelegen war. Diese nahe Nachbarschaft der Regierung verursachte den 
Juden nicht wenig Unannehmlichkeiten. Der Urheber der nationalen 
Restauration, Ardeschir, wurde nämlich von dem Ehrgeiz getrieben, 
den neugegründeten Staat auf die Höhe des Persien eines Kyros oder 
Darius zu erheben und zugleich der altpersischen Religion des Zara 
thustra (Mazdaismus) von neuem zur Vorherrschaft zu verhelfen. So 
gewannen denn die Priester des Parsismus oder die „Magier“ (die 
„Chabbare“ im Talmud) den größten Einfluß auf die Staatsgeschäfte.
	        
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