Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

§ 25. Die orientalisch-römische Diaspora 
lieh der vom Heidentum zum Christentum Bekehrten in Abrede. Die 
Zuhörerschaft geriet in Erregung, es waren von beiden Seiten 
schroffe Reden zu vernehmen, die Disputation zog sich bis zum 
Abend hin und man ging, ohne irgendeinen Beschluß zu fassen, aus 
einander (um 200). Trotz der großen Energie, die Tertullian bei der 
Bekämpfung des jüdischen Einflusses in Predigt und Schrift auf 
wandte, vermochte er diesem Einfluß keinen Abbruch zu tun. So 
sah sich denn sein Jünger Cyprian, ein zum Christentum bekehrter 
Heide, der es bis zu der Würde des Bischofs von Karthago gebracht 
halte (249), wiederum genötigt, einen apologetischen Traktat von der 
damals so beliebten Art „Gegen die Judäer“ zu schreiben. Im Gegen 
satz zu Tertullian vermied es Cyprian, die Juden in seinen Schriften 
durch ungehaltene Worte vor den Kopf zu stoßen, und suchte ihnen 
nur zu beweisen, daß der Weg zur Erlösung durch die Taufe so 
wohl den Heiden als auch den Juden selbst offenstehe. Um so un 
genierter überhäufte ein anderer kirchlicher Würdenträger jener Zeit, 
der der Dichtkunst huldigende Bischof von Karthago, Commodian, 
die Juden und die Judaisierenden mit einem ganzen Schwall von 
Schmähreden in Versform („Carmen apologeticum adversus judaeos 
et gentes“; „Instructiones adversus gentium deos“, um 2 4o—2Öo). 
Aus diesen leidenschaftlich-gehässigen Reden spricht deutlich die 
Furcht vor der „jüdischen Versuchung“, die für diejenigen, die im 
Zeichen der jüdischen Heiligen Schrift vom Heidentum zum Chri 
stentum übertraten und die Juden demgemäß als die maßgebendsten 
Schriftinterpreten betrachten mußten, beinahe unüberwindlich war. 
„Wozu rennst du denn — so beschwört Commodian den judaisieren 
den Heiden — in die Synagoge? . . . Willst du denn Halbjude, Halb 
heide sein? Blind warst du und bist du auch nun mitten unter Blin 
den, du Tropf! In eine Falle nur kann der Blinde den Blinden nach 
sich ziehen“. Unverhohlen gibt Commodian seiner Schadenfreude 
über das traurige Los des jüdischen Volkes Ausdruck, indem er in 
diesem Los eine wohlverdiente Strafe für die hartnäckige Verleug 
nung Christi erblickt. Die Dichtwerke des Commodian wimmeln von 
so vielen maßlosen Beschimpfungen der Juden, daß sich dem Leser 
unwillkürlich die Frage auf drängt, ob wohl dem Verfasser (in Kar 
thago oder in seiner Heimatstadt, dem palästinensischen Gaza, wo er 
noch als Heide seine Jugend verbracht hatte) von seiten der Ange 
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