Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

Palästina im 111. Jahrhundert 
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blendeten Augen im Nebel der Zauberei oder trügerischer Visionen 
erscheinen, anzubeten, die sinnfälligen und glänzenden Propheten (die 
personifizierten Naturkräfte) aber, die über Regen, Wolken, Donner 
und Blitz, über alle Früchte der Erde gebieten, in denen die Gottheit 
sich unzweideutig offenbart, alle diese sichtbaren Boten von oben her, 
diese wahren himmlischen Engel, so durchaus gering zu schätzen?“ 
(Ibid. V, 6.) Die lobenswerte Treue der Judäer ihren Gesetzen gegen 
über ist der Meinung des Celsus zufolge gewiß aller Achtung wert, 
doch kann ihnen ein Tadel nicht erspart bleiben, insofern sie sich als 
Besitzer der höchsten Weisheit aufspielen. „Ist es denn nicht gleich, 
ob er (Gott), der Höchste, Zeus, Adonai, Zebaoth, Amon, wie bei den 
Ägyptern, oder Papai, wie bei den Skythen, genannt wird?“ Auch 
die Beschneidung mache die Judäer nicht heiliger, denn die Ägypter 
übten diesen Brauch schon lange vor ihnen; ebensowenig der Verzicht 
auf den Genuß des Schweinefleisches, denn auch darin ahmten sie die 
Ägypter nach, die aber überdies dem Genüsse von Hammel- und 
Ochsenfleisch sowie von Fischen entsagen, während die Pythagoräer 
überhaupt jede nicht vegetarische Kost zurückweisen. Auch scheint es 
nicht durchaus sicher zu sein — fügt Celsus voll Ironie hinzu —, 
daß die Juden sich besonderer göttlicher Gunst erfreuten: „Sehen 
wir doch, was aus ihnen und ihrem Lande geworden ist“. Dies ist 
der einzige Punkt, in dem Celsus mit Justin übereinstimmt, während 
er sonst sowohl zu ihm als auch zu allen anderen Apologeten des 
Christentums in schroffstem Gegensatz steht. 
Bringt Celsus dem Judaismus wenigstens als einem System prak 
tischer, das jüdische Volk zu einer Einheit verbindender Vorschriften 
noch einiges Verständnis entgegen, so vermag er dem Christentum 
überhaupt keinen Sinn abzugewinnen, indem er in ihm nichts als 
dunklen Aberglauben, mystischen Wahn und Auflehnung gegen die 
Vernunft erblickt. In den ersten zwei Teilen seines Werkes legt Cel 
sus seine Kritik des Christentums einem Juden in den Mund. Dieser 
erinnert in lebhafter Weise an den Rationalisten Trypho, zeigt sich 
jedoch in seiner Polemik viel kühner als der Widerpart Justins. Die 
Rollen sind hier vertauscht: der Angreifende ist der Jude. Ob Gelsus 
sich in seiner antichristlichen Einstellung in der Tat von irgendeinem 
hellenisierten Juden, den er in Rom oder auf seinen Reisen im Orient 
kennengelernt haben mochte, beeinflussen ließ, oder ob er sich viel 
leicht auf diesem Wege nur den einschlägigen literarischen Stoff ver
	        
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