Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

Palästina im III. Jahrhundert 
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darauf starb. Der greise Jochanan konnte sich über den Tod seines 
Freundes bis zu seinem eigenen Lebensende nicht trösten. 
Unter den palästinensischen Amoräern nahm R. Jochanan dieselbe 
überragende Stellung ein wie einstmals R. Akiba unter den Tannaiten. 
Die Mehrzahl der Mischnaausleger wandelte in seinen Fußtapfen; aus 
seiner Schule in Tiberias gingen die markantesten Persönlichkeiten 
des III. Jahrhunderts hervor: Gesetzeslehrer, Richter und andere be 
deutende Männer. Die in ganz Palästina verstreuten Freunde und Jün 
ger des Jochanan führten sein Werk, wenn auch nicht mit dem glei 
chen Erfolge, weiter fort. Aus den Reihen dieser dritten Gruppe der 
palästinensischen Amoräer, die um 280—3i5 wirkte, ragen indessen 
auf dem Gebiete der Gesetzeskunde nur wenige bedeutende Persön 
lichkeiten hervor. 
Noch bei Lebzeiten des Jochanan tat sich in der Akademie von 
Tiberias sein jüngerer Freund, der aus Babylonien gebürtige Eleasar 
ben Pedath hervor. Nach dem tragischen Tode des Resch Lakisch war 
es Eleasar, der statt dessen Jochanan zur Seite stand. Jedoch war der 
hochbetagte Meister mit seinem neuen Assistenten, der ihm bei seinen 
Lehrvorträgen nicht widersprach, sondern zu allem ja und amen 
sagte, keineswegs zufrieden. „Wie könnte ich dich — so sprach er 
häufig zu Eleasar — mit Bar Lakisch vergleichen: wenn ich eine 
These zur Erörterung stellte, so pflegte er vierundzwanzig Gründe da 
gegen ins Feld zu führen, worauf ich meinerseits mit der gleichen 
Zahl von Gegengründen vorrückte, und aus diesem Widerstreit der 
Meinungen ging die Wahrheit lichtvoll hervor“. Nach dem Ableben 
des Jochanan stand Eleasar einige Zeit an der Spitze der Akademie 
von Tiberias, wobei er zugleich die Amtsobliegenheiten eines Richters 
versah und auch sonst in der Öffentlichkeit tätig war. Seine Lands 
leute, die Babylonier, nannten Eleasar voll Hochachtung „den Lehrer 
des Landes Israel“ und gingen ihn nicht selten um die Entscheidung 
schwieriger Rechtsfragen an. 
Der geistige Verkehr zwischen Palästina und Babylonien begann 
um diese Zeit überhaupt reger zu werden. Viele Gelehrte reisten von 
dem einen Lande in das andere, um in den weitbekannten Akademien, 
die beiden Ländern zum Ruhme gereichten, ihr Wissen zu vertiefen. 
Zu solchen aus Babylonien gekommenen Gelehrten gehörten auch die 
drei Schüler des Jochanan, die nach seinem Tode in Palästina wirk 
ten: Chija bar Abba, R. Ami und R. Assi. Chija sah sich aus Not
	        
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