Die Entstehung des Christentums
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angetan mit einem groben Gewände aus Kamelhaar und mit einem Le
derriemen umgürtet daher kam. Der rauhe feremit, der durch sein Ge
haben an den alten Propheten Elias erinnerte, zog an den Ufern des
Jordan umher, des längeren in Galiläa und Peräa verweilend, und
rief das Volk zur Buße auf, denn der Zorn Gottes werde bald über
das Land hereinbrechen. Er verkündete, daß das „Himmelreich“ und
das Jüngste Gericht Gottes, für die Bösen verderblich, für die Guten
erlösend, vor der Tür stehe. „Tut Buße, denn das Himmelreich ist
nahe!“ — dies war der Kehrreim aller seiner Reden. Als Symbol der
Läuterung von den Sünden galt der essäische Brauch des Tauchbades
im Flusse. Der Name des Predigers war Jochanan oder Johannes;
späterhin erhielt er den Beinamen der „Täufer“, da seine Jünger den
Akt der „Taufe“ oder des Tauchbades zu vollziehen pflegten.
Aus welchen Gesellschaftskreisen dieser Mann hervorgegangen ist,
bleibt unbekannt. Die evangelische Legende macht Johannes zum
Sprößling eines Priestergeschlechtes, den seine Eltern von Kindheit
auf „Gott geweiht“ hätten. Solche gottgeweihte „Nasiräer“ enthielten
sich des Weingenusses und der geschlechtlichen Berührung. Die Es-
säer kannten ein gemäßigtes Nasiräer tum in ihren religiösen Kommu
nen, während die extremen Nasiräer Einsiedler wurden. Von dieser
Einsiedlerart war auch der „in der Wüste wandernde“ Johannes.
Wenn aber auch Johannes zu Beginn seines asketischen Lebensweges
dem Essäertum nahestand, so ging er später in der Verleugnung des
geschichtlichen Judaismus viel weiter als diese Sekte.
Zu Johannes — so erzählt die Sage — kam viel Volks aus Judäa
und den „Ländern an dem Jordan“, um die Taufe im Jordan zu emp
fangen und die Sünden zu beichten. Dabei redete der Prediger zu
dem Volke von dem kommenden Gerichte Gottes: „Schon ist die
Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum welcher Baum nicht
gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen“. Wenn
man ihn fragte, wie man handeln solle, antwortete er: man solle seine
Kleider mit den Notdürftigen teilen; den Steuerpächtern oder „Zöll
nern“ redete er aber zu, nicht über das Festgesetzte hinaus abzuforj-
dern, und den Kriegern — niemand etwas zuleide zu tun. Neben die
ser Predigt der Tugend und der sittlichen Läuterung fand der rauhe
Einsiedler jedoch auch zornige Worte gegen den nationalen Hoch
mut der Juden. „Ihr Otterngezüchte! — rief er einst einer Gruppe