Volltext: Die alte Geschichte des jüdischen Volkes (2, Orientalische Periode / 1925)

§ 97. Philo von Alexandrien 
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ständige Sein Gottes als einer über der Welt stehenden, sie erschaffen 
den und regierenden Macht. In diesem letzteren Punkte tritt er dem 
Pantheismus der Stoiker und deren Lehre von der „Weltvernunft“ in 
der mit Gott identischen, „beseelten“ Materie entgegen und betont ge 
genüber der Immanenz der Gottheit in der Welt deren Transzendenz. 
Um so entschiedener schließt er in die biblische Kosmogonie die ganze 
Lehre Platos von den schöpferischen Ideen-Prototypen ein. Uranfäng- 
lich, „am ersten Tage der Schöpfung“, war der Lehre des Philo zu 
folge die Welt der „Ideen“ oder der abstrakten Modelle, der Urbilder 
der Dinge, erschaffen. Nach diesen Urbildern der idealen Welt ward 
sodann die sichtbare reale Welt erzeugt, gleichwie ein Baumeister 
nach einem vorgefaßten Plane eine Stadt erbaut. Die sichtbare Welt 
hat ihr Urbild in dem schöpferischen Denken Gottes. In diesem Sinne 
eben ist die biblische Wendung aufzufassen, wonach der Mensch nach 
dem Ebenbilde Gottes erschaffen sei. Nicht allein der Mensch jedoch, 
sondern auch die ganze Welt ist nach dem Bilde, oder richtiger [nach 
dem Vorbilde Gottes geschaffen. In Verfolgung dieses Gedankens ver 
einigt Philo in einer gemeinsamen Kraft alle einzelnen zwischen Gott 
und Welt vermittelnden „Ideen“ oder schöpferischen Kräfte. Hier 
nimmt die Emanationslehre ihren Anfang, die bei Philo von der Idee 
des „Logos“, der gottähnlichen Vernunft oder des Wortes, als der un 
mittelbaren Widerspiegelung der Gottheit, gekrönt wird. Der Logos 
ist zugleich der Inbegriff der schöpferischen Kräfte („Die Idee der 
Ideen“) nach der platonischen Redeweise und das schöpferische „Wort 
Gottes“, wie die Bibel sich ausdrückt („Gott sprach: ,Es werde 
Licht!‘)“. Der Logos wird von Philo bald als das Werkzeug, vermit 
tels dessen Gott die Welt erschuf und sie regiert (der platonische 
Demiurg), bald als der Mittler zwischen Gott und Mensch, als „der 
erstgeborene Sohn Gottes“, der „Hohepriester“ oder als der über al 
len Engeln Gottes, den Urideen, stehende „Erzengel“ gedeutet. Philo 
gebrauchte alle diese Vergleiche, um seine Metaphysik anschaulich 
zu machen, doch zogen die Kirchendogmatiker aus diesen Ver 
gleichen später die ihnen erwünschten Schlußfolgerungen über die 
reale Existenz des Gottessohnes oder eines zweiten Gottes, ebenso wie 
die Kabbalisten des Mittelalters daraus die Lehre von den „Sephiroth“ 
oder den göttlichen Emanationen herleiteten. 
Aus allen seinen Erörterungen in der Abhandlung „Von der Welt 
schöpfung“ leitet Philo fünf allgemeingültige Grundsätze oder Dog- 
83 Dubnow, Weltgeschichte des jüdischen Volkes, Bd. II
	        
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