Volltext: Die alte Geschichte des jüdischen Volkes (2, Orientalische Periode / 1925)

§ 95. Die Propaganda des Judaismus und die Proselyten 
4.95 
ästhetischer Sinngebung bereicherten. Die bilderlose Religion der Ju 
den schien dem Heiden ebenso verbildet und der Schönheit entbeh 
rend zu sein, wie dem Juden der antike Götzendienst und die heid 
nische Mythologie ein Greuel waren 1 ). Auf den gemeinen Mann un 
ter den Heiden, der in dem Standbild seiner Gottheit ein beseeltes 
Wesen sah, machte der betende Jude den seltsamen Eindruck eines 
Menschen, der zu sich selbst oder zum Himmel redet (daher das rö 
mische coelicolae: zum Himmel Betende). Sonderbar und mitunter 
a,uch lächerlich erschienen die mit peinlicher Strenge befolgten reli 
giösen Bräuche und Sitten der Juden. Und dennoch sehen wir zur 
selben Zeit, wie sich jener geistige Prozeß unabwendbar auswirkt, 
der sich allmählich in dem Schoße der heidnischen Welt vollzog und 
von dem Polytheismus zum Monotheismus hinüberführte. Die gebil 
deten Griechen und Römer, die die Lehre des Judaismus aus der grie 
chischen Bibelübersetzung und den Werken der jüdisch-hellenistischen 
!) Welchen Abscheu sogar Juden mit römischer Bildung gegen die griechisch- 
römische Abgötterei empfanden, ist aus der ätzenden Kritik zu ersehen, die Jo- 
sephus Flavius an der griechischen Mythologie übt, an all diesen Vorstellungen von 
Zeus und den anderen Göttern und Göttinnen mit ihren Ausschweifungen und den 
niedrigen Leidenschaften, die dadurch auch für die menschliche Gesellschaft legi 
tim wurden (Contra Apion. II, 33—35): „Sie (die Dichter und Gesetzgeber) be 
stimmten die Zahl der Götter nach eigenem Gutdünken, ließen nach eigener Will 
kür die einen von den anderen abstammen, unterschieden sie voneinander als wä 
ren es Tierarten, je nach Wohnort und Lebensweise, indem sie den einen die 
Erde, den anderen das Meer zuwiesen, die ältesten aber in den Tartarus einschlos 
sen. Für die Götter nun, denen sie den Himmel zugewiesen hatten, setzten sie 
einen ,Vater* (Zeus) ein, in Wirklichkeit aber einen Tyrannen und Despoten, 
gegen den sich eine Verschwörung der Gattin, des Bruders und der aus seinem 
Kopfe geborenen Tochter (Hera, Poseidon, Pallas-Athene) bildet, um ihn einzu 
sperren, wie er es selbst mit dem eigenen Vater (Kronos) getan hatte . . . Sie 
alle, Götter wie Göttinnen, geben sich ausschweifendem Geschlechtsverkehr mit 
Menschen hin. Die mächtigsten der Götter, und vor allem der edle Vater selbst 
(Zeus), sehen in aller Ruhe zu, wie man die von ihnen verführten oder geschwän 
gerten Frauen in den Kerker wirft oder im Meere ertränkt (Lete, Semele u. a.). 
Schamlos ergötzen sich die Götter am Ehebruch, der bei ihnen im Himmel verübt 
wird (eine Anspielung auf die Episode bei Homer, in der die Götter am Anblick 
des Ares und der Aphrodite Gefallen finden, die von dem Gatten der letzteren, 
Hephästus, auf dem Ehebette ertappt und durch eine besondere Kunstvorrichtung 
so gefesselt werden, daß die Liebhabenden sich nicht von der Stelle rühren kön 
nen) . . . Die Menschen legten ihren Göttern Kleinmut und Furchtsamkeit, Jäh 
zorn und Tücke und die niedrigsten Leidenschaften bei . . . Die Maler und die 
Bildhauer ersannen ein jeder irgendeine neue Gestalt der Gottheit, wobei der 
eine sie aus Ton formte, der andere zeichnete, während die ruhmreichsten Künst 
ler für ihre Werke Elfenbein und Gold als Materialien gebrauchten.“
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.