§ 31. Aristobulus und der Bruderkampf
hatte der Hohepriester Hyrkan II. die Regierung in Jerusalem über
nommen, als der an der Spitze der aufrührerischen provinziellen Gar
nisonen stehende Prätendent Aristobulus ihm auch schon den Krieg
erklärte. Das Heer des letzteren zog unverzüglich gegen Jerusalem
und Hyrkan beeilte sich, ihm seine Truppen entgegenzuwerfen. Bei
Jericho kam es zu einem Zusammenstoß der beiden Heere. Während
der Schlacht gingen viele von den Kriegern Hyrkans, von der persön
lichen Tapferkeit des Aristobulus hingerissen, auf dessen Seite über
und verhalfen ihm so zum Siege. Hyrkan, der voll Furcht den Einzug
des Bruders in die Hauptstadt erwartete, schloß sich in der Tempel
burg ein; dort befanden sich auch die auf Befehl der Jerusalemer Re
gierung als Geiseln verhafteten Angehörigen des Aristobulus. Als aber
der Sieger sich Jerusalem näherte, ließ Hyrkan jeden Gedanken an
Widerstand fallen. Die Brüder traten in Verhandlungen miteinander
ein, und im Tempel wurde ein Friedensvertrag geschlossen, demzu
folge Hyrkan seinem Rechte auf die königliche Gewalt zugunsten sei
nes befähigteren Bruders entsagte. Dies geschah drei Monate nach
dem Tode der Salome-Alexandra (67). Ob Hyrkan trotzdem noch die
Hohepriesterwürde behielt oder auch auf diese verzichten mußte, ist
unbekannt, da die Angaben der Quellen in diesem Punkte äußerst
widerspruchsvoll sind 1 ). Die Verletzung der Ehre des durch diesen
Vertrag der Königsgewalt beraubten Hyrkan wurde zum Teil dadurch
wieder gutgemacht, daß die Familien der beiden Brüder eine Heixats-
verbindung miteinander eingingen: durch die Vermählung der Toch
ter Hyrkans, Alexandra, mit dem Sohne Aristobulus’, Alexander,, wollte
man gleichsam die Interessen der Väter in der Nachkommenschaft
zum Ausgleich gelangen lassen.
Die Thronbesteigung Aristobulus II. mußte unvermeidlich bedeu
tende Veränderungen im ganzen Regierungssystem nach sich ziehen.
Es stand nun das Erstarken der Sadduzäerpartei und eine Reaktion
gegen das bislang geltende Pharisäerregime bevor. Diese Reaktion
setzte anscheinend unvermittelt ein und rief Unwillen in den Reihen
der so schroff von der Regierung abgedrängten Pharisäer hervor.
Aber auch abgesehen von denen, die sich aus innerer Überzeugung
dem Wechsel des politischen Systems widersetzten, gab es derer ge
nug, deren persönliche Interessen durch die Beseitigung des gesetz-
*) Vgl. Ant. XIV, 1, 2 und Bellum, I, 6, 1 mit Ant. XV, 3, 1 und XX, 10.