Volltext: Die alte Geschichte des jüdischen Volkes (2, Orientalische Periode / 1925)

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§ 18. Die Literatur in der Zeit der Verfolgungen 
Dieser trauervollen Zeitperiode gehört auch ein zum Teil in he 
bräischer, zum Teil in aramäischer Sprache verfaßtes Buch an, das 
eine Reihe von „Visionen“ und Prophezeiungen in mystischer Form 
enthält. Der Verfasser des Buches war anscheinend ein Parteigänger 
der Chassidäer und der leidenschaftlichen Patrioten. Von der Schrek- 
kensherrschaft Antiochus IV. tief erschüttert, gab er sich der Me 
ditation über die geschichtlichen Schicksale der jüdischen Nation 
hin, und das Ergebnis seiner Betrachtungen war eine Reihe von 
Schlußfolgerungen, die er veröffentlichte, um den sinkenden Mut 
seiner Zeitgenossen anzufachen und ihnen die Hoffnung auf eine 
bessere Zukunft einzuflößen. Der anonyme Verfasser legt seine Ge 
danken und Träume in den Mund eines sagenhaften Gerechten aus 
der Epoche des babylonischen Exils, des Daniel 1 ). Die erste Hälfte 
seines Buches (Kap. i—6) ist der Darstellung einiger Geschehnisse 
aus der Vergangenheit gewidmet, die mit den Ereignissen der Zeit 
des Antiochus Epiphanes große Ähnlichkeit aufweisen. Zunächst wird 
berichtet, wie die von dem Zerstörer Jerusalems, Nebukadrezzar, ge 
fangen genommenen und nach Babylon gebrachten jüdischen Jüng 
linge, Daniel und seine drei Gefährten (Chananja, Misael, Asarja), 
am königlichen Hofe gehalten und dort erzogen wurden. Ihre jüdi 
schen Namen ersetzte man hier durch babylonische (eine Anspielung 
auf den Hang der Juden, sich griechische Namen beizulegen), und 
ihre Kost bekamen sie von der königlichen Tafel. Allein die gottes- 
fürchtigen Jünglinge berührten nicht das Fleisch und den Wein der 
Heiden (im Gegensatz zu den Hellenisten), sondern nährten sich nur 
von Früchten und Wasser. Weiter wird von der wunderbaren Erret 
tung der drei Gefährten Daniels erzählt, die auch unter noch viel be 
drohlicheren Umständen ihre Glaubenstreue standhaft bezeugten. Ne 
bukadrezzar soll nämlich, gleich Antiochus Epiphanes, ein Edikt er 
lassen haben, demzufolge alle Bewohner seines Reiches dem in der 
Ebene von Durra errichteten goldenen Riesengötzen huldigen sollten. 
Die drei Gefährten Daniels weigerten sich, dem königlichen Befehle 
Folge zu leisten, und wurden zur Strafe in einen „Feuerofen“ gewor 
fen. Jedoch versengten die Flammen zur äußersten Verwunderung 
1) Der Name Daniel begegnet uns unter den Namen der drei mustergültigen 
Gerechten und Weisen („Noah, Daniel und Hiob“) schon in dem Buch des Pro 
pheten Jeheskel (i4, i4, 20; 28, 3). Es ist nicht ausgeschlossen, daß irgendein 
heiliger Mann namens Daniel schon seit der Epoche des babylonischen Exils den 
Gegenstand von Volkslegenden bildete.
	        
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