Volltext: Die alte Geschichte des jüdischen Volkes (2, Orientalische Periode / 1925)

§17. Die „Weisheit“ des Ben Sirah 
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besser als alles Gold; es geht keine Freude über das innerliche Be 
hagen“ (3o, 16). Der Verfasser geißelt in gleicher Weise sowohl Geiz 
wie auch Verschwendungssucht. Demut predigend, verlangt er jedoch 
von dem einzelnen auch Aufrechterhaltung des Selbstgefühls. „Mein 
Sohn, in Demut ehre dich selbst, und zolle dir Ehre, soviel du 
verdienst. Denn wer wird den ehren, der sein Leben verunehrt?“ (io, 
28—29). In Fragen des Alltagslebens predigt Ben Sirah vernünftige 
Überlegung und die „goldene Mittelstraße“, die das Hauptprinzip 
der Philosophie all der praktischen Geister bildet, die nicht von dem 
ausgehen, was sein soll, sondern von dem, was ist. 
Die Lehren des Ben Sirah unterrichten uns über viele Seiten der 
Lebensführung und über die gesellschaftlichen Formen jener Zeit. 
Aus ihnen ist zu ersehen, daß die mannigfachsten Handwerksarten 
im Lande weit verbreitet waren. Der Verfasser schildert die schwere, 
ununterbrochene Arbeit des Zimmerers, des Maurers, des Graveurs, 
des Schmiedes mitten im Rauche und Brandgerüche der Schmiede, 
des Töpfers (38, 27—30). Die erste Stelle bei der Aufzählung der 
Betätigungsarten nimmt der Ackerbau ein (38, 2 5—26). Als Schrift- 
gelehrter schätzt freilich Ben Sirah die geistige Arbeit viel höher 
als die physische ein, wobei ihm die eine mit der anderen unverein 
bar erscheint: „Wie kann weise werden, wer den Pflug regiert, der 
die Ochsen antreibt und sich mit jungen Stieren unterhält?“ (ibid.). 
Die körperlich arbeitenden Menschen verstehen sich auf ihre zum 
Lebensunterhalt notwendige Arbeit und „ohne sie wird keine Stadt 
gebaut“, sie vermögen aber weder in soziale Angelegenheiten noch in 
höhere geistige Probleme tiefer einzudringen: „Bei der Volksberatung 
verlangt man sie nicht, und in der Gemeindeversammlung tun sie sich 
nicht hervor, auf dem Stuhle des Richters sitzen sie nicht und brin 
gen nicht Gerechtigkeit und Recht an den Tag“ (38, 3i—34)- An 
ders derjenige, der „seinen Sinn gerichtet hat und nachdenkt über 
das Gesetz des Höchsten, der forscht nach der Weisheit aller Altvor 
dern und ist beschäftigt mit den Weissagungen . . . Im Kreise der 
Großen tut er Dienst und vor dem Fürsten erscheint er. Im Lande 
fremder Völker reist er umher, denn Gutes und Böses sucht er unter 
den Menschen zu erfahren. Seinen Sinn richtet er darauf, zu suchen 
nach seinem Herrn, der ihn erschaffen hat ... Er bringt den Un 
terricht seiner Belehrung zutage, und des Gesetzes des Bundes des 
Herrn wird er sich rühmen . . . Von seiner Weisheit werden sich
	        
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