Volltext: XI. Jahrgang, 1906 (XI. JG., 1906)

Nr. 1. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Sei te 5, 
fahrlässiger Körperverletzung an geklagten Bauunter 
nehmer ein Verschulden treffe, entschied sich die Majorität 
des Gerichtes für die Bejahung dieser Frage* indem man 
davon ausging: 
Daß das Verschulden, also die Fahrlässigkeit des 
Bauunternehmers schon in dem Umstande liege, «daß er 
es zugelassen habe, daß ein nicht hinlänglich starker, 
folglich mit einer Fehlstelle behafteter Strick gebraucht 
wurde; die Fahrlässigkeit werde ohne weiteres dadurch 
bewiesen, daß der Strick gerissen sei. 
Diesem Urteil und dieser Beweisführung können wir 
uns durchaus nicht anschließen und wäre sie zutreffend, 
so würde überhaupt keine. Sachlage erfindlich sein, in 
welcher der Bauunternehmer von Verschulden frei sei, 
in erster Linie würde die Vermutung stets für seine 
Schuld streiten, eine praesumtio culpae, die kaum 
ein wahrer Kriminalist gut heißt. Kann aber nicht ebenso 
gut, um von tausend Möglichkeiten nur ein Paar anzu 
führen, das Reißen des Strickes in schuldhafter Über 
lastung von dessen Tragkraft durch die Arbeiter bewirkt 
sein oder in einem ganz versteckten Fehler seine Ursache 
haben, der trotz aller Aufmerksamkeit nicht zu entdecken 
war? Hier trifft den Bauunternehmer doch gewiß keine 
Schuld. 
Es wäre im Interesse der Gerechtigkeit sehr zu be 
klagen, wenn diese Auffassung des Gerichtshofes bei 
ähnlichen Unfällen sich repetieren sollte und wenn das 
darin steckende rechtsirrtümliche Prinzip: Die Fahrlässig 
keit wird schon durch den Schaden stiftenden Erfolg 
bewiesen, ohne daß dem Angeklagten eine weitere Ver 
schuldung nachgewfiesen zu werden braucht, auch von 
anderen Gerichten angenommen werden sollte. 
Unsere Ausführungen' zeigen, wie sehr es angebracht 
wäre, auch die kriminelle Verantwortlichkeit des Bau 
unternehmers so zu gestalten, wie es die heutigen Ver 
hältnisse erfordern. — Fr. — 
Unser Handwerk und die Maschinenkraft. 
Wenn man es ausspricht, daß unser Handwerk sich 
nicht auf der früheren Höhe befände und nicht Schritt 
gehalten habe mit den sonstigen Errungenschaften der 
Neuzeit, wenn man unsere jetzigen Leistungen vergleicht 
mit den vorzüglicheren Arbeiten des Mittelalters und sie 
dann nicht immer standhalten können mit jenen, so hört 
man nicht selten den Einwurf, daß daran besonders die 
Maschinen schuld seien, welche der eigentlichen Kunst 
fertigkeit respektive Kunst, hinderlich seien, da ja heute 
in so vielen Fällen die Maschinenkraft an die Stelle der 
Menschenkraft gesetzt werde. Freilich läßt sich letztere 
Tatsache nicht bestreiten, denn was früher 30 fleißige 
Menschen kaum zu schaffen imstande waren, das leistet 
heute eine von wenigen Händen bediente Maschine. In 
großen Städten gehört es heute schon zu den Seltenheiten, 
um uns eines Beispieles zu bedienen, daß Fußbodenbretter 
von Menschen noch gehobelt und gespundet werden, 
noch seltener sieht man den Zimmermann auf dem Säge 
gerüst stehen, um mühsam in tagelanger Arbeit den 
mächtigen Block zu zerschneiden, ja es gibt heute schon 
Maschinen, um bei den Holzarbeiten zu bleiben, welche 
die subtilsten Profilstücke mit riesiger Geschwindigkeit 
liefern, so daß zum Beispiel bei der Herstellung von 
Fenstern und Türen die Arbeiter wenig mehr als das 
Zusammenpassen zu besorgen haben. 
Dasselbe trifft auf vielen anderen Gebieten des ge 
werblichen Lebens gleichfalls zu und deshalb meint 
mancher, die Maschinen ersetzen zu sehr der Hände 
Arbeit, als daß eine wahre , Geschicklichkeit und Kunst 
fertigkeit unter den lernenden Jüngern des Handwerks 
Platz greifen könne und es fehlte ihnen an Gelegenheit, 
sich entsprechend auszubilden. 
Wie wenig stichhältig sind aber solche Behauptungen 
und entsprechen ebenso wenig der Wirklichkeit, wie jene 
längst durch die Wirklichkeit widerlegte, daß die 
Maschinen die Arbeit wegnehmen und die Arbeiter brot 
los machten. Freilich arbeitet die Maschine mit viel 
größerer Geschwindigkeit und bringt ganz andere Massen 
fertig als der Mensch, aber sie vermehrt auch die 
Produktion unendliche Male und hat uns eine Menge von 
Betriebszweigen aufgetan, welche früher gar nicht be 
trieben werden konnten und deshalb sind auch wiederum 
durch die Maschinen so viele Menschenkräfte nötig ge 
worden, daß man allenfalls den Satz aufstellen könnte: 
Je mehr Arbeit durch die Maschinen geleistet wird, je 
mehr Arbeit wird für die Menschen geschaffnen. 
Wie nun die Maschine tatsächlich die Händearbeit 
vermehrt, so könnte sie auch die Geschicklichkeit und 
die Kunstfertigkeit erhöhen, denn früher mußten die 
Arbeiter im Handwerk alle unqualifizierte Arbeit über 
nehmen, welche jetzt die hilfreiche Mittätigkeit der 
Maschine leistet und dem qualifizierten Arbeiter bleibt 
Zeit für seine Qualifikation. Daraus geht aber auch für 
ihn eine neue oder wenigstens gesteigerte Berufspflicht 
hervor. 
Er soll und kann für diejenigen Arbeiten mit umso 
größerer Intensität eintreten, welche ihm die Maschine 
nicht zu leisten vermag, welche heute so gut wie früher 
der bildenden Hand des Menschen bedürfen. Kann er 
nur anfertigen, was die Maschine auch zu leisten vermag, 
so ist er selbst nur eine Maschine und kann es dann 
freilich mit denen aus Eisen und Stahl, welche mit 
Dampfkraft getrieben werden, nicht mehr aufnehmen. 
Darum mag der Handwerksgehilfe und der Meister, 
der aus dem Gesellenstande hervorgeht, seinen Stolz 
darein setzen, mehr als bis jetzt durchschnittlich der 
Fall ist, mehr über die mechanischen Verrichtungen 
hinaus zu kommen und tüchtiger zu werden in seiner 
Leistung, damit keine Maschine ihn ersetzen kann. 
Es muß also der berufstüchtige Handwerker die 
Konkurrenz mit der Maschine aufnehmen, aber nicht in 
der mechanischen, sondern in der kunstfertigen Leistung, 
dann wird ihm die Maschine nicht ein Feind, wie dies 
häufig von den Arbeitern ausgesprochen wird, sondern 
ein lieber Freund sein, welcher ihm dienstbar ist und 
ihn ergänzt. Hiernach könnte es fast scheinen, als wenn 
zwar der qualifizierte Arbeiter sich mit der Maschine aus- 
sÖhnen könnte, nicht aber der unqualifizierte. 
Indes ist auch dieser Schluß glücklicherweise falsch, 
denn indem, wie wir schon vorher hervorgehoben haben, 
durch die Maschinen die Arbeit bedeutend vermehrt 
wird, werden überhaupt viel mehr Arbeitskräfte erforder 
lich und damit auch solche, welche weniger qualifiziert 
sind. Der Arbeitsmarkt stellt sich also für jeden Arbeiter 
günstiger, seitdem wir und weil wir mit Maschinen 
arbeiten können. 
Trotz alledem läßt sich nun ein gewisser schädlicher 
Einfluß auf die gewerbliche Tätigkeit nicht hinweg
	        
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