Volltext: XI. Jahrgang, 1906 (XI. JG., 1906)

Nr. 1. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Seite 3. 
genannten Hauptstädten gebaut hat, die alle zur höchsten 
Zufriedenheit der Auftraggeber ausgeführt wurden. 
Dem dermaligen Gemeinderat der Stadt Enns, an dessen 
Spitze der fortschrittliche Bürgermeister Herr Viktor von 
Scheuchenstuel steht, sowie dem Beleuchtungskomitee 
ist aber zu gratulieren, daß es sich für ein Beleuchtungs 
system entschied, das schon seiner mindesten Gefahr 
losigkeit und sicheren Funktionierung halber alle anderen 
Beleuchtungsarten auf lange Zeit überdauern wird. 
Konihoffer, 
Die Schönheit der Wohnung. 
Ein schönes Heim kann nur aus einer schönen 
Wohnung entstehen — sprechen wir zunächst einmal 
von schönen Wohnungen. 
Wer viel Geld im Kasten und einen guten Geschmack 
hat und einige Erfahrung und Übung dazu, der baut sich 
ein Haus oder ein Häuschen oder er sucht so lange mit 
Bedacht, bis er zur Miete eine wirklich schöne Wohnung 
gefunden hat; so weit ist dem Manne verhältnismäßig 
leicht geholfen. Wir wollen ihn sich selbst überlassen, 
wir wollen heute weder von ihm reden, noch von den 
vielen Armen, die froh sein müssen, Bett und Tisch zu 
finden — der Reiche braucht uns nicht, dem Armen 
können wir, Gott seis geklagt, in diesen Zeitläufen nicht 
helfen. Wir wollen vom leidlich wohlhabenden Mittel 
stand sprechen und dem, was ihm geboten wird und 
dem, was er sich wohl selber bieten könnte. 
Schönheit der Wohnung setzt voraus, daß die 
Wohnung zweckmäßig sei, bequem und gesund, denn 
sonst wäre all ihre Gefälligkeit nur ein Bestechen. An 
genehme Ausgestaltung des Zweckmäßigen, erfreuliche 
Kennzeichnung des Wirklichen soll Schönheit , sein, dann 
erst trägt sie die Vorbedingung der Dauer in sich und 
wird nicht früher oder später mit Ermüdung als blendende 
Lüge empfunden. Daß blendende Lüge in den Wohn- 
räumen des Bürgerstandes mehr herrscht als je, das ist 
ein trauriges Zeichen seines Niederganges. Man fühlt 
nur selten noch das Bedürfnis, die Dinge zu gestalten 
als das, was sie sind; sie sollen aussehen, als wären sie 
etwas kostbares, „feineres“. Es ist mitunter zum lächeln, 
just als ahme die Wohnung jeder Steuerklasse die der 
um fünf Stufen höheren nach. Und als wollte sich das 
Protzende, das Äußerliche schon räumlich ankündigen: 
große Treppenhäuser, stattliche Empfangszimmer, mäßige 
Wohn-, kleine Schlafräume — „Imitation“ an allen Enden, 
damit es aussehe, als wäre es teurer als es ist; ein Zier 
gekröse von Stampfpappe, mit Stiften an die Decke ge 
nagelt, eichenliolzfarben bemalter Stuck um die Türen 
in Nachäffung von Gesimsen und Krönungen in Holz 
schnitzerei, mit Ölfarbe „marmorierte“ Flurwände. Statt 
des ehrlichen Kleides des Freien in Nachahmung „vor 
nehmerer“ Trachten ganz dasselbe, was auf ihrem Ge 
biete Kellnerfrack und Livree sind. Ferner in dem Be 
streben, reich zu scheinen, ein Überladen der Formen. 
Ein Herrliches in der Hand des Meisters ist das 
Ornament; der gestaltet es so, daß es, eine Augenfreude 
an und für sich, dort, wo es angebracht ist, den Reiz 
der Form kräftigt und adelt. Von solcher Verwendung 
weiß die Durch Schnitts wohnung nichts: reich soll sie 
aussehen und billig, doch muß sie hergestellt werden, in 
Massen also werden für sie Ornamente anf Maschinen 
fabriziert, ohne viel an anderes zu denken als eben an 
den billigen Schein des Reichtums. Schön waren die 
mit Umherschreiten wandernden klaren Lichtpunkt^ auf 
den einfach halbkugelförmig ausgehöhlten Glasurkacheln 
altdeutscher Öfen, wie ruhig glänzende klare Sterne — 
jetzt preßt man die Kacheln in mannigfache Formen, 
ein wirres Durcheinander der Lichtpunkte ist die Folge. 
Man versteht gar nicht mehr, worauf es ankommt. Wie 
bei den Butzenscheiben — man beginnt schon für ihre 
Stelle ornamentreiche Glasstücke auszupressen. — Ein 
fachheit braucht die bürgerliche Wohnung, sie kann 
deshalb in Wahrheit doch reicher werden als die flitter- 
reichste. 
Meine Privatwünsche wären hier etwa die: gebeiztes 
und lackiertes Tür- und Fensterholz, farbige Öfen mit 
ornamentlosen Kacheln, ruhige gemalte Friesbänder an 
Decken und Wänden, wenn die Benutzung einfacher 
Holztäfelungen und Gesimse doch einmal zu teuer ist 
und, wie die Dinge heute liegen, am liebsten gar keine 
gemusterten Tapeten. 
Einfach schön sei, was in die Zimmer gestellt wird. 
Auch hier gilt es, den Ornamentschwulst zu bekämpfen, 
die Wucherungen, die jede reine Form unterdrücken 
wollen. Mit gesundem, kunstgewerblichen Brote wollen 
w T ir uns nähren, nicht weichlichen Kuchen, der uns 
schnell zuwider wird. Eine einfach schöne, ja eine 
schlicht gerade Linie kann erfreuen. Auf die Wände 
gehören Kunstsachen, Bücher, wohl auch am rechten 
Platze getrocknete Pflanzen, zu denen das Vaterland 
mit seinem winterlich roten Eichenlaube und anderem 
so farbenschöne Beiträge bietet wie irgend ein Ausland. 
Das gäbe dann, mit Geschmack ausgeführt, vielleicht 
eine einfache, aber doch schöne Wohnung. Könnten 
wirs selber nicht zustande bringen, ein befreundeter 
Künstler könnte es für uns. Und da ist ein Unterschied: 
eine schöne Wohnung können wir uns machen lassen - 
ein schönes Heim müssen wir uns selber machen. 
Strafrechtliche Verantwortlichkeit des 
Bauunternehmers in Deutschland. 
Über die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Bau 
unternehmers (Baumeisters) für die Tötung oder körper 
liche Verletzung seiner Leute bei baulichen Unglücks 
fällen erhalten wir folgenden Artikel, dessen Ausführungen 
wir teilweise zustimmen. 
Zu den schwierigsten Problemen der Rechtswissen 
schaft und den-heikelsten Aufgaben des Praktikers ge 
hört die Entscheidung, inwieweit ein strafrechtlich 
zurechenbares Verschulden Platz greife, so oft zur Er 
wägung steht, ob jemand wegen Fahrlässigkeit für den 
Tod oder die körperliche Beschädigung eines Dritten auf- 
komrnen müsse. Ganz besonders schwierig gestaltet sich 
diese Frage aber, wenn es sich um die kriminelle Haft 
pflicht des Bauunternehmers (Baumeisters) handelt, bei 
dessen Hochbauten oder Wasser-, Brücken-, Straßen-, 
Grubenbauten dergleichen Ereignisse eingetreten sind, 
mit anderen Worten: 
Wo ist hier die Grenze zwischen dem Zufall, , dem 
Unglücksfall in diesem Sinne (vis major, force majeure) 
einerseits — und der straffälligen Verschuldung des Bau 
unternehmers anderseits. Diese beiden Gebiete werden 
sehr oft dadurch noch unklarer, die Grenzscheide noch 
unkenntlicher, wenn eine eigene Fahrlässigkeit des Ge
	        
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