Volltext: X. Jahrgang, 1905 (X. JG., 1905)

Seite 98. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 11. 
ruhestühle etc. Die Zimmer erster Klasse sind äußerst 
komfortabel eingerichtet und bieten bezüglich ihrer Aus¬ 
schmückung den Kranken eine wohltuende Ruhe. Im 
Erdgeschoß und im ersten Stockwerke liegt je ein 
Untersuchungszimmer mit Verdunklungs Vorrichtungen 
versehen und mit Einrichtungsgegenstände für kleinere 
operative Eingriffe ausgestattet. Jedes Badezimmer er¬ 
hält eine feststehende, eine fahrbare und eine Sitzbad¬ 
wanne. Die Wände der Badezimmer sind bis auf 2 Meter 
mit Kacheln verkleidet. Die Installation der Bäder ist 
nach den neuesten und besten Systemen ausgeführt. 
Eine dreiarmige Granittreppe und ein hydraulischer 
Bettenaufzug vermittelt die Verbindung zwischen dem 
Erdgeschoß und dem ersten Stockwerke und ist letzterer 
mit einem Schutzgitter versehen, dessen Konstruktion 
darin besteht, daß er nur bei geschlossener Fahrstuhl¬ 
türe in Bewegung gesetzt werden kann. Die Beheizung 
in sämtlichen Räumen der Anlagen geschieht mittels 
Dampf, die Beleuchtung durch elektrische Glühlampen; 
auch ist im Falle des Versagens der elektrischen Be¬ 
leuchtung in jedem Stockwerke für eine Gasflamme zur 
Erhellung des Stiegenhauses Vorsorge getroffen worden. 
Die ganzen Gebäude des Spital es sind mit 24 Telephon¬ 
stationen für den internen Verkehr und mit 4 Sekundär¬ 
stationen des Haustelephonnetzes ausgestattet. Schließlich 
versorgt eine Warm- und Kaltwasserleitung den ganzen 
Komplex mit dem nötigen Trink- und Nutzwasser. Das 
Schlußobjekt bildet das 
Operationshaus. 
Es besitzt zwei Operationssäle, ein Wartezimmer, ein 
Ruhezimmer, einen Sterilisierraum, ein Röntgenzimmer, 
ein Zimmer und Bad für den Primararzt, ein Wärterinnen¬ 
zimmer ebenfalls mit angrenzendem Bade, Räume für 
die Herstellung und Aufbewahrung von Verbandzeug 
und Präparaten und ein Zimmer für mikroskopische und 
chemische Studien der Ärzte. Im Keller liegt die Dunkel¬ 
kammer für die Röntgensche Photographie. Der aseptische 
Operationssaal erhält sein Licht durch ein großes und 
zwei kleinere seitliche Doppelfenster. Durch ein aus 
Eisen- und Drahtglas konstruiertes Dach mit Mattglas 
ist für Oberlichte vorgesorgt. Die Wände sind bis zur 
Decke mit weißen Konsolen verkleidet, der Fußboden 
wurde mit Zementplatten gepflastert. Die Türen sind 
ganz aus Eisen, auch sind in genügender Anzahl Venti¬ 
latoren an geeigneten Orten angebracht. Die Einrichtung 
des aseptischen Saales enthält alle bewahrten Neuerungen 
für Operationszwecke. Der zweit, aseptische Operations¬ 
saal ist etwas kleiner als der erste und enthält außer 
den üblichen Einrichtungsstücken noch einen Gasofen, 
um zu jeder Zeit die gewünschte Temperatur im Saale 
zu erhalten. Zwischen den beiden Sälen liegt das 
Instrumentenzimmer und neben dem aseptischen Opera¬ 
tionszimmer der Sterilisierraum mit einem großen, unter 
Glasverschluß gesetzten chemischen Herd mit zwei Dampf¬ 
sterilisatoren. Schließlich kommt noch ein Ruhe- und 
Chlproformzimmer, in welchem die Kranken narkotisiert 
und bereits schlafend in den Operationssaal geschafft 
werden. Was das Äußere der Neubauten anbelangt, so 
zeigt dasselbe jene Gestaltung, wie sie alle neueren 
Spitalbauten im Pavillonsystem heutzutage aufzuweisen 
haben. Die Fundamente sind aus Beton, das Sockel¬ 
mauerwerk aus Stein und die ersten Stockwerke aus 
Ziegelrohbau mit Verblendern hergestellt. Als Bedachung 
der Gebäude wurde das Holzzementdach angewendet. 
Sämtliche Arbeiten in allen Räumen, zumeist von hiesigen 
Firmen durchgeführt, sind äußerst solid zur Herstellung 
gebracht worden, was das Stadtbauamt, als teilweise 
Projektantin der Anlage und Aufsichtsorgan der Bauten, 
schon offenkundig zugestanden hat. 
Der Stiegenbau in den verschiedenen 
Zeitaltern und seine Stilperioden. 
Von Karl Mainburg. 'verboten0)" 
Die Zeit prägt einem jeden Ding ihren charakte¬ 
ristischen Stempel auf. Jede Kultur- und Kunstperiode 
bringt ihre Leute in der ihr eigenen Weise die Etagen 
hinan. Die Architektur, in deren Aufgabe die Symbolik 
des Gesellschaftszustandes gelegen ist, hat durch die 
Schaffung der jeweiligen Stiegenanlage einen wesent¬ 
lichen Anteil. In der Gotik klingt überall das Motiv hin¬ 
durch: „Alles zur Ehre Gottes, nichts für die Bequem¬ 
lichkeit der Menschenkinder!“ Der gemeißelte Mensch 
in den eingeengten Heiligenhäuschen und auf den schmalen 
Standorten der Konsolen zeigt am deutlichsten, wie wenig 
die Architektur der damaligen Zeit den Menschen re¬ 
spektiert. Deshalb erfand sie für ihre Zwecke den steilen 
Spindeltreppenturm, der in unaufhaltsamem „Aufwärts“ 
den lebendigen Menschen sich um seine eigene Achse 
bis zum Schwindel emporwirbeln läßt. 
Die französische Frührenaissance der Königs- und 
Adelsschlösser unter Franz I. und Heinrich II. bietet 
das Bild der zwar weiterkreisenden, aber nicht weiter¬ 
schreitenden Gesellschaft. Das zierliche, fein präparierte 
Skelett der Gotik mit seinen fein durchbrochenen 
Brüstungen ist auch jetzt noch das Leitmotiv des da¬ 
maligen Treppenbaues. 
Noch immer umkreist die aufsteigende Spirale die 
mittlere Spindel, aber schon wird alles weiträumiger und 
bequemer, die Stufen sind weiter auseinander gefaltet, 
Wappen, Namenzüge und ornamentierte Embleme um¬ 
geben den äußeren Rand wie mit einem schmucken 
Spitzensaume. 
Italien ist die Wiege der eigentlich modernen Treppen¬ 
reform im Sinne der Renaissance. In Venig, wo morgen¬ 
ländische Pracht und Reichtum zusammenstanden, um 
aus der Lagunenstadt eine Stadt der Festakte und 
glänzender Repräsentation zu schaffen, sehen wir, diesem 
Stadtcharakter angepaßt, dieEmanzipation von derWendel- 
treppe und den Fortschritt zur breiten, mit Podesten 
unterbrochenen Freitreppe. Die florentinischen Treppen 
zwischen Wand und Säulen zeigen in ihrer Anlage 
gewissermaßen das Elementare ihres Stiles und seiner 
Bauweise. 
Die Zeit der absoluten Fürstenmacht, wo streng ge¬ 
regeltes Hofzeremoniell mit glänzender Adelsrepräsentation 
Hand in Hand ging, drückte auch ihr Siegel dem Treppen¬ 
bau auf; das „Zöpfische“ mußte sich mit dem Bedürfnis 
nach freier Raumentfaltung verbinden, wir sehen das 
„Barock“. 
Dem XVII. Jahrhundert, der Zeit des feinsinnigen 
Julius II. und Leo X. galt die glückliche Lösung eines 
Bravourstückes über alles und der Ehrgeiz, gewisser¬ 
maßen durch die Anlage der Feststiege auf den weiteren 
Glanz des Hauses vorzubereiten, brachte in dem Bau¬ 
geschmack und der ganzen Architektur eine hastige, 
unruhige Bewegung. Rücksichtslos und unbeschränkt 
zog man alle nur irgendwie tauglich scheinenden Mittel
	        
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