Volltext: IV. Jahrgang, 1899 (IV. JG., 1899)

Nr. 14. 
OBEROSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 107. 
über dieser Hinterstube, eine Treppe hoch und ziemlich 
versteckt, fast immer der Saal, das grösste Zimmer im 
Hause, welcher aber mit seiner Pracht nur bei grossen 
Pamilienfestlichkeiten geöffnet wurde. Nach vornhinaus 
über der Wohnstube liegt in der Regel das Kontor. Bs 
hatte gewöhnlich auch ein Fenster nach der Diele, so 
dass der Hausherr den ganzen Hausraum übersehen konnte. 
Dass dasselbe im ersten Stocke und nicht gleich unten 
angebracht war, lässt sich wohl daraus erklären, dass 
man früher noch nicht soviel Schreibarbeit nöthig hatte 
und ein einfacher Schreib- und Zahltisch bei der grossen 
Wage auf der Diele für die laufenden Tagesgeschäfte 
ausreichte. Sonst fanden sich im ersten Stock nur noch 
einige Schlafzimmer, und endigte mit diesem dem soge¬ 
nannten Galleriestock, das eigentliche Wohnhaus, denn 
die übrigen drei bis vier Stockwerke dienten nur als 
Warenspeicher. 
Die Diele, die den Rest des einheitlichen Innenraums 
der ältesten Wohnungen darstellt, geht gewöhnlich durch 
den ganzen Unterbau des Hauses und empfängt ihr Licht 
meistens durch ein sehr grosses Fenster vom- Hofe. Von 
den dicken, eichenen Balken, die oft mit Ornamenten oder 
anderen Bildern bemalt sind, hängen der dicke Haken 
für die grosse Wage, die grosse, oft auch schmiedeeiserne 
Hauslaterne und die Taue von der Winde herab. Bei 
grossen Festlichkeiten diente die Diele auch als Haupt- 
festsaal. Der Hauptschmuck derselben war das sogenannte 
Hängewerk (Gallerie) und die Treppen. Das erster e führte 
in Höhe des ersten Stockwerkes um die ganze Diele 
herum und war ebenso wie die Treppe mit reichge¬ 
schnitzten, eichenen Balustraden und Geländern versehen. 
Leider ist im Laufe der Zeit vieles untergegangen: Mangel 
an Kunstsinn am Anfange dieses Jahrhunderts, sowie die 
Fremdherrschaft haben manche Schätze vernichtet und 
verschleppt, doch sucht man dieselben jetzt um so eifriger 
zu erhalten und zu restaurieren. N. B.-Z. 
Arbeiter-Unfallversicherung. 
(Fortsetzung*.) 
Zur bevorstehenden Revision der Gcefahrenclassen- 
Eintheilung. 
Das in die erstmalig revidierte Eintheilung der unfall- 
versicherungspflichtigen Betriebe- in Gefahrenclassen 
(Ministerial-Verordnung vom 20. Juli 1894, R.-G.-Bl. Nr. 167) 
eingeführte Princip einer Dreitheilung der Gefahren- 
classification, nämlich die Einführung dreier Gefahrengrade 
bei „geringerer", „gewöhnlicher" und „erhöhter". Gefahr, 
beziehungsweise die im Texte der Verordnung (§ 2) ge¬ 
gebenen Vorschriften für die Anwendung dieser drei 
Gefahrengrade haben im Kreise der Betriebsunternehmer 
vielfach eine abträgliche Beurtheilung gefunden. 
Die bevorstehende zweite Revision der Gefahren- 
classen-Eintheilung gibt den Anlass, die Absichten zu 
prüfen, welche bei Einführung des Principes maßgebend 
waren, bziehungsweise zu untersuchen, ob und inwieweit 
diese Absichten bei Vermeidung der Dreitheilung durch 
anderweitige Einrichtung der Gefahrenclassen-Eintheilung 
erreicht werden könnten. 
Für die Einführung der Dreitheilung waren mehrere, 
wesentlich von einander verschiedene Gründe maßgebend. 
In erster Linie sollte der Umstand Berücksichtigung 
finden, dass die Eintheilung der Unfallversicherungs- 
pflichtigen Betriebe in 12 Gefahrenclassen mit 100 Gefahrs- 
procenten, welche im wesentlichen auf einer durch den 
Betriebsgegenstand bestimmten Systematik beruht, einen 
engen Rahmen für die Gefahrengraduierung der einzelnen 
Betriebe bildet, und auch bei der sorgfältigsten, Textierung 
nicht verbürgt, dass alle im praktischen Wirtschaftsleben 
vorkommenden Betriebsgattungen nicht nur nach ihrem 
Gegenstande, sondern auch nach ihrer besonderen, für 
die Unfallsgefahr maßgebenden Art und Einrichtung 
fehlerlückenlos unterschieden werden. 
Bei einer ganzen Reihe von Betriebsgattungen ist 
durch die Bezeichnung des Betriebsgegenstandes das 
Maß der Unfallsgefahr noch keineswegs derart abgegrenzt, 
dass die Gefahrenprocente einer Gefahrenclasse ausreichen 
würden, und den verschiedenen Individualitäten, die unter 
die betreffende Betriebsgattung zu subsummieren sind, 
vollauf Rechnung zu tragen. Bei Maschinenfabriken, 
Steinbrüchen, chemischen Fabriken u. s. f. kann die ganze 
Einrichtung und Betriebsart eine von der gewöhnlichen 
oder durchschnittlichen so abweichende sein, dass ein 
Spielraum von mehreren Gefahrenclassen nothwendig ist, 
um alle Betriebe der betreffenden Gattung objectiv zu 
classificieren. Eine grosse und nicht zu unterschätzende 
Rolle unter diesen Verschiedenheiten der Einrichtung 
spielen die Beschaffenheit der baulichen Betriebsanlagen 
und die Einrichtungen zur Unfall Verhütung. 
Die Punkte 1 und 2 des § 2 der gedachten Ver¬ 
ordnung nehmen auf diese Momente insoferne Rücksicht, 
als sie die Directive geben, dass bei Anwendung der bei 
„geringerer", beziehungsweise „erhöhter" Gefahr vorge¬ 
schriebenen Gefahrenclassen auf die besondere Art des 
betreffenden Betriebes Rücksicht zu nehmen sei, wobei 
überdies bei einer ganzen Reihe von Betriebstiteln durch 
Anmerkungen ganz bestimmte Merkmale angègeben 
wurden, deren Zutreffen für die Wahl der Gefahrenclasse 
maßgebend sein sollte (§ 2, Punkt 1). 
Soweit nun in der gedachten Verordnung in der That 
nur Unterscheidung verschiedener Gefahrengrade nach 
rein objectiven Kennzeichen vorgeschrieben wurde (§ 2, 
Punkt 1 und 2), bot dieselbe gewiss in höherem Grade 
als bei Vorschreibung einer einzigen Gefahrenclasse die 
Möglichkeit, allen für die Unfallsgefahr maßgebenden Ver¬ 
hältnissen der einzelnen Betriebe Rechnung zu tragen; 
ein Zweifel hinsichtlich der Zweckmässigkeit der Drei¬ 
theilung konnte sich in dieser Beziehung nur insoferne 
ergeben, als es fraglich sein konnte, ob das Verfahren 
bei Feststellung der Gefahrenclasse im einzelnen Falle 
auch eine richtige Würdigung aller in Frage kommenden 
Momente verbürgt, ob also Sicherheit dafür gegeben ist, 
dass von der Dreitheilung in allen Fällen der richtige 
Gebrauch gemacht wird. 
Die bekannt gewordenen Klagen gegen die Drei¬ 
theilung der Gefahrenclassen-Eintheilung haben sich in 
der That nicht so sehr gegen die in den Punkten 1 und 
2 des § 2 enthaltenen Vorschriften als vielmehr gegen 
Punkt 3 dieses Paragraphen gewendet. 
Dieser Punkt bestimmt, dass die Entscheidung dar¬ 
über, ob „geringere" oder „erhöhte" Gefahr anzunehmen 
ist — genügende Beobachtungsmengen vorausgesetzt — 
auch auf die Erfahrungen der einzelnen Anstalten bei 
Versicherung der Betriebe des betreffenden Titels auf 
die Erfahrungen bei Versicherung des einzelnen zu 
classificierenden Betriebes während der letzten drei Jahre 
Rücksicht zu nehmen ist. 
Die Begründung für die Aufstellung dieser Norm ist 
in Folgendem zu suchen:
	        
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