Volltext: IV. Jahrgang, 1899 (IV. JG., 1899)

Nr. 10. 
0 BEROST ERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 75. 
Bericht 
der Arbeiter - Unfall versicherungs - Anstalt für Ober- 
österreieh, Salzburg* Tirol und Vorarlberg in Salzburg 
als derzeit gescliäftsführendes Organ des Verbandes 
der territorialen Arbeiter-Unfall versiclierungs-Aiistalten 
über dessen Wirken während der abgelaufenen Func¬ 
tionsperiode 1897—1899. 
In der Sitzung des Verbandes vom 3. April 1897 mit 
der Geschäftsführung betraut, geben wir uns die Ehre, 
vor der Rücklegung dieser Function einen kurzen Rück¬ 
blick auf die Thätigkeit des Verbandes in der abgelaufenen 
Periode zu werfen. 
Vor allem constatieren wir mit Freude, dass, nach¬ 
dem einzelne Anstalten durch längere Zeit dein Verbände 
ferne geblieben waren, nunmehr sämmtliche Anstalten 
an den • Berathungen mit dem grössten Interesse tlieil- 
genommen haben. 
Der Verband, dessen hauptsächlichster Zweck in der 
gegenseitigen Information zur Erzielung einer kräftigen 
Entwicklung der Institution bei voller Wahrung der 
Autonomie der einzelnen Vertretungskörper gelegen ist, 
kann nur dann zu voller Bedeutung gelangen, wenn 
sämmtliche Anstalten an dem Austausche der Erfahrungen 
sich betheiligen. Wo volle Uebereinstimmung besteht, 
gewinnt der vereint unternommene Schritt erhöhte Be¬ 
deutung; wo dies nicht der Fall ist, bietet die Theil- 
nahme an den Sitzungen des Verbandes die Gelegenheit, 
zu den verschiedenen Anregungen Stellung zu nehmen 
und den abweichenden Standpunkt zu begründen. 
Thatsächlich verdanken wir der vollzähligen Theil- 
nahme aller territorialen Anstalten einen reicheren Aus¬ 
tausch der Gedanken, eine erhöhte Bethätigung der 
Interessen, welche in einer Reihe von Collectivschritten 
zum Ausdrucke gelangte. 
Während der zweijährigen Functionsperiode fanden 
sechs Sitzungen des Verbandes statt, und zwar am 
3. April und 5. October 1897, in Wien, am 8. November 
1897 in Salzburg, am 7. Februar 1898 in Wien, am 
1. Juni 1898 in Graz und am 10. October 1898 in Prag. 
Es würde zu weit führen, alle die zahlreichen, die 
Anstalten berührenden Fragen, welche zur Erörterung 
gelangten, aufzuzählen, oder über den reichen Schatz der 
Erfahrungen, welcher hier zusammengetragen wurde, 
eingehend zu berichten, hierüber geben uns die umfang¬ 
reichen Verhandlungsprotokolle der stattgefundenen 
Sitzungen hinlänglichen Aufschluss; nur in ganz allge¬ 
meinen Umrissen soll hier der Thätigkeit des Verbandes 
gedacht werden. 
Der früheren Periode war es vorbehalten, den Kampf 
um die Reform des Unfallversicherungs-Gesetzes zu 
führen ; den Anstalten war Gelegenheit gegeben, sowohl 
schriftlich in ausführlichen Gutachten und zahlreichen 
Petitionen, als mündlich, gelegentlich der über diesen 
Gegenstand abgeführten Enquete die bewährten grund¬ 
legenden Einrichtungen gegenüber den Angriffen der 
Gegner wirksam zu vertheidigen, anderseits aber die 
thatsächlich bestehenden Mängel in der Ausgestaltung 
unserer Institution geltend zu machen. Selbstverständlich 
konnte dies nur in allgemeinen Umrissen geschehen; es 
war daher auch die Bitte der Anstalten wohl begründet, 
dass ihnen, als den berufenen Trägern der Erfahrungen, 
späterhin Gelegenheit geboten werde, auch über die Detail¬ 
bestimmungen des geplanten Gesetzentwurfes sich zu 
äussern; denn der Wortlaut der Detailbestimmungen ist 
für die Durchführung sehr maßgebend. Auf diesem Ge¬ 
biete hat die abgelaufene Functionsperiode leider keinen 
Fortschritt aufzuweisen. Es ist weder die dringend not¬ 
wendige Reform zur That geworden, die oft beklagten 
Mängel unseres Gesetzes bestehen heute noch unver¬ 
ändert fort, immer weitere Kreise ziehend; aber auch 
nicht , einmal von einem fertigen Entwürfe war bisher die 
Rede. Trotz dieses langen Stillschweigens geben wir die 
Hoffnung nicht auf, dass das hohe k. k. Ministerium des 
Innern sich bewogen finden wird, die Vorstände der 
Anstalten zur Mitwirkung bei endgiltiger Feststellung 
des Entwurfes heranzuziehen. 
Wenn wir von einigen Coliectivschritten, welche als 
Nachzügler oder Wiederholungen früherer Eingaben zum 
Reformwerke anzusehen sind, wie z. B. die Eingaben 
um Befreiung von der Portopflicht, von der Beitrags¬ 
leistung zum Gewerbeinspectorate, von den Kosten des 
Schiedsgerichtes und der Unfallerhebung, ferner um 
gesetzliche Regelung der Verjährung der Strafbarkeit 
der Uebertretungen, absehen, konnte sich die Thätigkeit 
des Verbandes, angesichts des Stillstandes im Reform¬ 
werke, nur auf die innere Ausgestaltung der Anstalten 
an der Hand der bestehenden Gesetze erstrecken. 
Diesem Bestreben verdanken wir mehrere gemeinsam 
überreichte Eingaben, z. B. betreffend die nachdrücklichere 
und zweckentsprechendere Handhabung der Strafgewalt 
durch die politischen Behörden, die Regelung der ärzt¬ 
lichen Honorare im Einvernehmen mit den Aerztekammern, 
die Ermöglichung der Errichtung von Arbeiterhäusern 
aus Anstaltsmitteln durch Erhöhung des Maximalzinsfusses 
für die Steuerfreiheit, die Befreiung vom Gebüren-Aequi- 
valente für den Realbesitz der Anstalten, die Einführung 
der Verzeichnisse über die vorgekommenen Bauführungen 
behufs besserer Controle des Baugewerbes und dergleichen. 
Manche dieser Eingaben harren noch der Erledigung 
seitens der Regierung, andere dagegen, wie insbesondere 
die beiden letzterwähnten, hatten einen nicht uner¬ 
freulichen Erfolg. 
Die verschiedenartigen Auffassungen hinsichtlich der 
Versicherungs-Zuständigkeit des Baugewerbes gaben 
seinerzeit zu vielfachen Differenzen Anlass. Durch die 
Berathung im Verbände ist es gelungen, eine Einigung 
sämmtlicher Anstalten über vier grundsätzliche Bestim¬ 
mungen (Amtliche Nachrichten, Jahrgang 1897> Seite 611) 
zu erzielen, welche heute allseits anerkannt und beob¬ 
achtet werden. 
In betreff der Unfallversicherung von über die öster¬ 
reichisch-deutsche Landesgrenze übergreifendenTransport- 
betrieben ergaben sich aus dem verschiedenen Inhalte'der 
beiderseitigen Gesetze mehrfache Schwierigkeiten; zur 
Behebung derselben wurde deutscherseits der Entwurf 
eines diesbezüglichen Uebereinkommens ausgearbeitet, 
welcher nach eingehender Prüfung im Verbände von den 
Anstalten übereinstimmend begutachtet wurde. 
Die Reformbedürftigkeit unseres längst veralteten 
Musterstatutes fand eine eingehende Erörterung im Ver- 
bande. Das Ergebnis dieser Berathungen wurde in dem 
bereits revidierten Statute der gefertigten Anstalt ent¬ 
sprechend verwertet. Die mit 1. Jänner 1898 in Wirk¬ 
samkeit getretenen Steuergesetze, die Civilprocess-Ord- 
nung, deren Bestimmungen auch tlieilweise auf das Ver¬ 
fahren vor dem Schiedsgerichte Anwendung finden, ; die 
für die gerichtliche Geltendmachung der Beiträge wichtige 
Executions-Ordnung Hessen die Anstalten nicht unberührt ; 
insbesondere das letzterwähnte Gesetz verursachte bei
	        
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