Volltext: IV. Jahrgang, 1899 (IV. JG., 1899)

IV. Jahrgang, Nr. 21. 
Linz, 1. November 1899. 
Oberösterreichische Bauzeitung 
Zeitschrift für Bauwesen. 
Redaction und Administration: LINZ, Mozartstrasse 28. —•. Herausgeber und Verleger: Eduard Kornhoffer. 
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Man pränumeriert auf die OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG: 
ganzjährig mit fl. 10.— < ganzjährig mit . fl. 8 
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rovmz I vjerteijälirig 
Erscheint am 1. und 15. 
jedes Monat. 
INSERATE und OFFENER SPRECHSAAL laut aufgelegtem billigsten 
Tarif werden angenommen: Bei der Administration der „Ober¬ 
österreichischen Bauzeitung", Linz, Mozartstrasse 28, ferner bei 
allen grösseren Annoncen-Expeditionen des In- u. Auslandes. Eventuelle 
Reclamationen und Beschwerden direct an uns erbeten. 
Inhalt. Wie man in Jerusalem baut. — Eingesendet (Arbeiten-Unfall- 
versieherungs-Anstalt). — Von der Pariser Weltausstellung 1900. II. — 
Aus den G-emeinderaths-Sitzungen in Linz. — Local-Baunotizen. — Offert- 
Ausschreibungen. — Briefkasten. — Offene Stellen. — Angesuchte Bau- 
licenzen in Linz. — Anmeldungen für Wasserbezug. — Ausweis über die 
Umschreibung von Immobilien in Linz. — Inserate. 
Wie man in Jerusalem baut. 
Die Palästinareise des deutschen Kaisers im ver¬ 
gangenen Herbste hat so lebhaftes allgemeines Interesse 
für die dortigen Zustände erweckt, dass auch eine Be¬ 
trachtung einiger baulichen Verhältnisse in Jerusalem an 
der Hand eines Vortrages, den Mr. Beresfort Pite im 
Londoner Architekten-Verein gehalten hat, unseren Lesern 
willkommen sein dürfte. Die „Baugewerbs-Zeitung", aus 
der wir nachstehenden Artikel entnehmen, führt an^ Pite 
ist Architekt und hat unlängst ein Krankenhaus in 
Jerusalem gebaut. 
Das erste, worauf man beim Bau zu achten hat, sagt 
Pite, ist die Lage des Hauses nach der Himmelsgegend. 
Die Vorderseite soll nicht nach Osten gelegt werden, 
wo sie dem glühend heissen, trockenen und staub¬ 
führenden Ostwind ausgesetzt wäre ; auch soll das Haus 
möglichst weit von der Strasse entfernt bleibqn, denn die 
Strassenoberfläche ist nicht befestigt; die Wege führen 
über den weissen Kalkfelsen hin und sind zumeist 
mit tiefem Staub bedeckt, da es in der heissen Jahres¬ 
zeit, die neun Monate umfasst, nicht regnet und die 
Strassen nicht gereinigt werden. Wasser mangelt beständig. 
Wohl gibt es ein paar Quellen und Brunnen ausserhalb 
der Stadt, aber eine Wasserversorgung nach unseren 
Begriffen fehlt gänzlich. Man ist deshalb auf Regenwasser 
angewiesen und der Cisternenbau ist von jeher von der 
grössten Bedeutung gewesen. Die Kosten der Wasser¬ 
beschaffung für Bauzwecke sind -recht erheblich; das 
Wasser wird in Schläuchen herangetragen und maß weise 
verkauft. Das erste, womit man beim Báu beginnt^ ist 
deshalb die Anlage einer Cisterne, um die Herbstregèn 
aufzufangen und Wasser zum Baue zu gewinnen. Die 
Oisternen werden in den Felsen gearbeitet oder im Hof- 
raume in Mauerwerk aufgeführt und sorgfältig eingewölbt. 
Da es keine Canalisation gibt, ist auch kein Anschluss 
möglich, und da die Stadt überall auf Felsen steht, ist 
eine unterirdische Entwässerung nicht durchführbar. Das 
von der Erde entblösste Gestein macht die Anlage von Erd¬ 
elose t. s unmöglich. Wo sich ein wenig Erde findet, liegt 
sie "in Felsmulden und wifd im Sommer so trecken wie 
Staub, im Winter, der nassen Jahreszeit,- zu Schlamm. 
So kann man denn auch den Dünger nicht in Feld und 
Garten ausbreiten und durch landwirtschaftliche Ver¬ 
wertung beseitigen. Hieraus erklärt sich theilweise auch 
der unbeschreibliche Schmutz in dieser Stadt. 
H¡6izVorrichtungen sind selten; nur Deutsche und 
Russen benutzen Kachelöfen ; sonst behilft man sich mit 
kleinen Oefen, die nach Bedarf aufgestellt werden. 
Schwierigkeiten findet auch der Transport der 
Materialien. Sie müssen auf Kameelrücken vorgeführt 
werden. Zwar führt eine schmalspurige Eisenbahn von 
der Küste nach-Jerusalem, aber sie klettert auf ungefähr 
45 Kilometer Länge an 3000 Fuss in die Höhe mit einigen 
recht ansehnlichen Steigungen, so dass sie zum Transport 
bedeutender Lasten nicht zu gebrauchen ist. Alle schweren 
Baumaterialien, selbst eiserne Träger, müssen somit von 
Kameelen transportiert werden. 
Mit den Behörden, sagt Mr. Pite, ist gut fertig zu 
werden. Beim Kauf der Baustelle sind Berechtigungen, 
Lasten etc. leicht zu ermitteln. Hierin sind die Türken 
mit der Zeit fortgeschritten, und über Hypotheken¬ 
belastung und alles Geschäftliche kann , man das Nöthige 
leicht erfahren. Fremde müssen die Bauerlaubnis durch 
einen Firman des Sultans erlangen. Beim Bau des Kranken¬ 
hauses trat allerdings eine Schwierigkeit auf. Schräg 
gegenüber dem Bauplatze lag nämlich eine Moschee, und 
in dieser befand sich das Grab eines Heiligen. Nun ist 
es ein Gesetz des Islam, dass unter keiner Bedingung sich 
eine Bier- oder Weinschänke in der Nähe des Grabes 
eines muselmännischen Heiligen befinden darf. So gut 
dieses Gesetz auch ist, so störend.ist es zugleich, wenn 
die Krankenhausapotheke zu den Weinschänken gerechnet 
wird, weil sich unter anderen auch Spirituosen darin be¬ 
finden. Es kam also zunächst darauf an, zu erfahren, 
wie weit die „Nähe" zu rechnen sei. Auf die betreffende 
Anfrage ergieng dann der Bescheid, dass eine bestimmte 
Entfernung sich nicht angeben lasse. Das hienge von dem 
Grade der Heiligkeit ab. Auf weitere Anfrage Und nach 
Zahlung dessen, was man Backschisch nennt, wurde dann 
festgesetzt, dass die „Weinschänke" 250 Fuss entfernt 
bleiben müsse, womit gleichzeitig auch die Intensität der 
persönlichen Heiligkeit aufs genaueste in Längenmaß aus¬ 
gedrückt war. Die Ortsbaubehörde ist gut organisiert; 
es gibt einen Stadtbaumeister, einen Stadtsanitätsrath 
u. s. wv;. es ist nicht leicht, diese Beamten zur Stelle zu 
bekommen. Im Ganzen machten sie aber keine Schwierig¬ 
keiten, und es war besser mit ihnen fertig zu werden, 
als mit mancher europäischen Baupolizei. 
Der Jerusalemer Arbeiter gehorcht nur dem, der- 
ihm den Lohn auszahlt, und der Baumeister oder Bau¬ 
führer hat über die Arbeiter nur dann Autorität, wenn 
er ihnen vor aller Augen die Lohnzahlung leistet.
	        
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