Volltext: IV. Jahrgang, 1899 (IV. JG., 1899)

Seite 156. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. .20. 
zu Arbeiten, wo es ganz und gar nicht nothig war und 
hat deshalb einen Aufwand getrieben, der bloss Zeit und 
Geld kostet. Es sei hier übrigens noch bemerkt, dass 
z. B. Coignet mit seinen Conglomeraten bewiesen hat, 
dass man zu den meisten der gewöhnlichen Betons weder 
Kies noch Sand zu waschen hat, vorausgesetzt, dass man 
sich der hierzu nöthigen Mischungsweise bedient und 
dass in den Materialien keine Bestandtheile von Humus 
enthalten sind. Sonderbarer Weise wird aber meistens 
kurzweg bestritten, dass ein Beton aus ungewaschenem 
Kies und Sand den an ihn gestellten Anforderungen 
genüge und zwar oft von Leuten, die es eigentlich längst 
aus eigener Erfahrung wissen müssten, dass das sehr 
wohl möglich ist. Uebrigens kann man ja selbst kleine 
Proben vornehmen und sich dann an deren Resultaten 
vom Erfolge überzeugen; es gibt so vieles in der Praxis, 
was wir nicht wissen, dass es sich wohl lohnt, sich 
Kenntnisse durch „Probieren" zu verschaffen. Die Vor¬ 
behandlung der Bindemittel ist bislang noch vollständig 
unbekannt geblieben, abgesehen vom Ablöschen des 
Kalkes, und selbst bei dieser Procedur, so alt sie ist, 
werden heute noch Fehler begangen, die oft zu Zweifeln 
berechtigen, ob die Bautechniker sich überhaupt noch 
mit diesem Capitel in der Praxis befassen, oder das Ganze 
kurzweg dem untergeordneten Bauarbeiter überlassen. 
Es ist nicht Zweck dieser Zeilen, sich bei diesem, wenn 
auch noch so wichtigen Thema aufzuhalten, man könnte 
Bücher darüber schreiben und es würde kaum etwas 
nützen. Es genügt, mit dürren Worten daraufhinzuweisen, 
dass ein grosser Schlendrian im Kalkablöschen getrieben 
wird, der dem Bauwesen im allgemeinen nicht zur 
besonderen Ehre gereicht. Was den Cement betrifft, so 
steht es hiermit bezüglich der Vorbehandlung recht eigen¬ 
tümlich, man kennt, wie gesagt, noch keine und doch 
wäre eine solche sehr von Nöthen. Es dürfte kaum eine 
tadellose Fläche aus Cement, wie Verputze, Böden u. s. w. 
geben, welche z. B. nicht eine Unmenge der bösen Haar¬ 
risse hätte, die in der Folge die Ursache des frühzeitigen 
Ruins der Arbeiten sind und die gesammte Cementbaukunst 
überhaupt in Misscredit bringen. Man entschuldigt sich 
damit, indem man dem Umstand die Schuld gibt, dass es 
bislang noch nicht gelungen sei, absolut volumenbeständigen 
Cement zu fabricieren! Diese Thatsache kann allerdings 
kaum ernstlich bestritten werden, soweit es die Fabrication 
an und für sich betrifft; wäre dagegen bei dieser, wie 
vor der Verarbeitung des fertigen Cementes jene Vor¬ 
behandlung respectiert worden, die den Cement auf eine 
noch höhere Volumenbeständigkeit bringt, als sie bis jetzt 
bekannt ist, dann wären Haarrisse ein für allemal aus¬ 
geschlossen. Wie es aber auf die Vorbehandlung dès 
Bindemittels ankommen kann, so ist die Art und Weise 
der eigentlichen Verarbeitung erst, recht dazu angethan, 
eine Arbeit solide und tadellos, oder umgekehrt zu er¬ 
reichen, ein Verstoss gegen die Natur des Bindemittels 
wird und muss sich immer rächen. 
Die Zubereitung des Betons und dessen Verarbeitung 
ist an und für sich eine ganz mechanische Arbeit, zu der 
sich die untergeordnetsten Arbeitskräfte eignen, nichts¬ 
destoweniger kann man da manche Unterlassungssünde 
beobachten, besonders was das Waschen betrifft. Man ist 
in feinen Betonarbeiten, z. B. bei der Erzeugung, von 
künstlichen Bausteinen schon in vielen Punkten orientierter 
und es würde nichts schaden, wenn man das dort Er¬ 
lernte auf das gewöhnliche Betonverfahren ausdehnen 
wollte. Von höchst ökonomischem Vortheile wäre es ferner, 
wenn man sich endlich dazu bequemen wollte, einmal 
feststehende Thatsachen nicht bloss kurzweg zu ignorieren. 
Ist es beispielsweise nicht Unkenntnis von Thatsachen, 
wenn seitens einer Baubehörde eine Betonmischung von 
1 :6 vorgeschrieben wird, wo längst eine solche von 
1:12 sogar noch bessere Dienste thut? Warum schreibt 
man an solchen Stellen einfach vor, ohne die Vorschrift, 
gleichbedeutend mit Verschwendung, begründen zu 
können! Bezüglich der Mischungsverhältnisse ist, wie 
gesagt, empirisch und schon lange nachgewiesen,, dass 
noch weit magerere Zusammenstellungen vollständig 
genügende Resultate haben; Verhältnisse wie 1:16 und 
1 : 18 sind durchaus nichts Neues mehr. 
Mit den Kalkzuschlägen hat unter anderem Delune 
durch seine berühmt gewordenen Wasserleitungen eben¬ 
falls überzeugend bewiesen, von wie grossem Nutzen 
solche Zuschläge sind und dass man durch dieselben in 
der Lage ist, selbst hohen Druckbeanspruchungen zu 
trotzen. Merkwürdiger Weise ist die volkswirtschaftliche. 
Seite dieses Wasserleitungssystemes, das kaum die Hälfte 
der Kosten von eisernen Rohrleitungen in Anspruch 
nimmt, in Deutschland so gut wie unbekannt geblieben, 
ja, man ist damit noch soweit zurück, dass jüngst durch 
eine Notiz in Fachblättern als Allerneuestes verzeichnet 
wurde, wonach Köhren ohne Ende so gegossen würden, 
wie Delune dies seit bald einem halben Jahrhunderte 
macht. Die Sache erscheint noch unerklärlicher, d. h. es 
ist noch weniger begreiflich, dass man sich in Deutsch¬ 
land zum Baue solcher Leitungen nicht bequemte, trotz¬ 
dem das ganze System auf einer früheren Weltausstellung 
schon vorgeführt und genau beschrieben wurde 1 
Das Formen der Betonmassen kann nur unter Vor¬ 
bedingungen vor sich gehen, entweder es sind für Mauern, 
Decken u. s. w. Einschalungen erforderlich, zwischen 
oder auf die dann die Betonmasse gestampft oder gegossen 
wird, oder es ist ein mehr oder weniger freihändiges 
Modellier system nöthig, wonach ein ganzes Gebilde in 
bestimmten Formgebungen erscheint. Für den gewöhn¬ 
lichen Betonbau waren bis jetzt die sogenannten Ein¬ 
schalungen unerlässlich, der Aufwand an Holz für die¬ 
selben ist jedoch ein viel zu grosser und kostspieliger, 
weshalb das „neue Schalungssystem" von Baumeister 
Wagner, Wiesbaden, willkommen ist und durch viele 
Bauunternehmer benut¿t wird. 
Betreffs Einbringens des Betons in die Schalung 
werden, wie bei der Behandlung, meist noch recht plumpe 
Fehler gemacht, der zufolge die Stabilität manchen 
Objectes in Frage kommt. Mit dem richtigen Mischen 
allein ist es noch nicht gethan, der Hauptwert und die 
Güte der Betonarbeiten liegt darin, dass man den Process 
des Abbindens nicht stört, sonst lassen sich die vor¬ 
bedungenen Festigkeiten nicht erreichen. 
Es sollen ferner keine zu grossen Körper aus einem 
Stücke gebildet, sondern Isolierungen angeordnet werden, 
wodurch die Calamität der Senkungs- oder Bewegungs¬ 
risse beseitigt wird, ebenfalls eine sehr bemerkenswerte 
Neuheit. Schliesslich werden durch einfache Armierungen 
die Zugfestigkeiten aller Betonkörper ganz bedeutend 
erhöht, was im allgemeinen eine grosse Vervollkommnung 
bedeutet, ohne dass man sich an ein bestimmtes System, 
wie Monier oder ähnliche zu halten hat. (Dem Genannten 
ebenfalls geschützt.) 
Fasst man alle diese Verbesserungen zusammen und 
zieht noch die neueste Erscheinung in Betracht, dass 
mittels gar leichter Eisenconstructionen nicht nur jeder
	        
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