Volltext: IV. Jahrgang, 1899 (IV. JG., 1899)

Nr. 19. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 147. 
für Hochbauten zu bedienen. Somit könnte man glauben, 
es sei nicht gelungen, diese Mängel aus der Welt zu 
schaffen, sonst würde man offenbar das ja an und für 
sich vorzügliche Material auch zum Wohnhausbau ver¬ 
wendet haben. 
Es ist nun der Zweck dieser Zeilen, nachzuweisen, 
dass Beton thatsächlich ein Baumaterial der Zukunft ist 
und im Hochbauwesen auch in Deutschland nicht mehr 
nebensächlich auftreten wird. 
Haben die Amerikaner, Engländer, Franzosen u. s. w. 
längst verstanden, wie Beton im Hochbau mit jedem 
anderen Mauermaterial concurrenzfähig ist, warum sollte 
das dem deutschen' Techniker nicht ebenso verständlich 
sein?! Blickt man vollends ins graue Alterthum zurück*, 
wo schon Griechen und Römer grossartige Bauten in 
Beton ausführten, so sollte man umsomehr annehmen 
dürfen, dass unsere Zeit diesem Baumaterial die An¬ 
erkennung nicht versagen kann, zumal im classischen 
Alterthume ja nur mit natürlichen Cementen gearbeitet 
wurde; während wir heute Materialien mit weit besseren 
Eigenschaften besitzen. 
Beschäftigen wir uns zunächst mit dem Rohmaterial. 
ÌEs ist eigenthümlich, dass man fast durchwegs in Deutsch¬ 
land unter der Bezeichnung „Beton" ein aus Kies, Sand 
und Cement zusammengemischtes Conglomérat versteht, 
während ein Beton doch auch aus verschiedenen anderen 
Füllmitteln wie Bindemitteln bestehen kann. Was man 
aber mit der letzteren Art von Beton zu leisten vermag, 
das hat unter anderen Coignet z. B. mit seinen gross- 
artigen Ausführungen gerade im Hochbau wesen gezeigt. 
Man sollte zu diesen Arbeiten wohl ein Beispiel nehmen, 
jedenfalls würde die Stimme vieler verstummen, die da 
glauben, kraft ihres Amtes, ihres Lehrstuhles u. s. w. 
derartige Ausführungen ins Reich des Unmöglichen ver¬ 
weisen zu müssen. 
Die Zusammensetzungen des Betons dieser Art können 
natürlich sehr verschieden sein, in den meisten Fällen 
sind sie jedoch mager gehalten, weil dies, wie später 
besprochen wird, eine Grundbedingung ist." Je scharf¬ 
kantiger das Rohfüllmaterial ist-, desto grösser wird die 
Zugfestigkeit (also auch indirect die Druckfestigkeit) sein ; 
auch Temperaturveränderungen werden auf Betonkörper, 
welche mager gemicht sind und rauhe Füllstoffe haben, 
nicht so vonEinfluss sein, ,als bei fetter Zusammensetzung. 
Eigenschaften des Rohmateriales bedingen ferner auch 
wiederum die gleichen oder ähnlichen Eigenschaften im 
fertigen Betonkörper ; es ist also nicht einerlei, ob der 
Füllstoff aus Kies oder aus Backsteinschotter besteht. 
Bei Conglomeraten ist es wiederum nicht einerlei, in 
welchem Verhältnisse die der Natur nach verschiedenen 
Rohmaterialien zur Anwendung kommen; es muss sich 
das ganz nach dem Zweoke richten, welchen die aus 
Conglomérat zu bildenden Betonkörper zu erfüllen haben. 
Soll z. B. ein solcher mit dem Steinmetzwerkzeuge bald 
nach seiner Herstellung schon bearbeitet werden, so ist 
ganz selbstverständlich, dass Kie's oder sonst hartes 
Gestein nicht zu denjenigen Partien verwendet werden 
kann, welche der nachherigen Bearbeitung unterliegen. 
Was alsdann die Ineinanderfügung der Rohmaterialien 
mittels Bindemittel zur Herstellung der Betonkörper be¬ 
trifft, so ist auch hierin nicht jede Manipulation von 
gleichem Werte, ganz besonders nicht bezüglich der 
hygienischen Erfordernisse, da es bekanntermaßen nicht 
einerlei ist, ob ein Baumaterial compact oder porös ist. 
Nach dieser Richtung wurde t>is jetzt thatsächlich so 
gut wie nichts bei Betonausführungen gethan, und doch 
ist es unerlässlich, hierin Wandel zu schaffen; nur dann 
wird ein Baumaterial sich auch im Hochbauwesen be¬ 
haupten können, wenn es den in unserer Zeit gestellten 
Anforderungen entspricht. 
So mannigfaltig die Füllmaterialien eines Betons sein 
können, so ist das auch für die Bindemittel der Fall. Es 
ist nicht nothwendig, dass ein Betonconglomerat nur 
Cemente als solche habe, Hauptsache ist, dass sie wetter¬ 
beständig und wenn irgend thunlich, auch feuerfest sind. 
In dieser Beziehung können wir ebenso von den Alten 
lernen, wie wir an der Verwendung des Rohmateriales 
auch deutlich sehen, was sich alles zu Beton verwenden 
lässt. Wir wissen, dass damals von einem künstlichen 
Cement nicht die Rede war und dass diese Bindemittel 
sogenannte Puzzolanerden (vulkanischer Tuff), hydrau¬ 
lischer Kalk, oder auch versteinernde Wasser waren. 
Man hat aber auch an alten Heizanlagen (z. B. aus der 
Römerzeit), gefunden, dass ebenso Betonkörper aus 
anderen Bindemitteln hergestellt wurden (wie Lehm, 
Schieferthon, Bolus und dergleichen). Die Araber haben 
manches mit Gips betoniert wie die Griechen, und das 
Studium alter Ueberbleibsei aus jenen Zeiten gibt uns 
Aufschluss über vieles, was der Vergessenheit anheim¬ 
gefallen ist. Somit sind wir falsch berathen, wenn wir 
die Meinung vertreten, Beton könne nur eine beschränkte 
Wahl im Füll- wie im Bindemittel haben, denn gerade 
das Gegentheil ist der Fall. 
Das Betonieren mit Kalk ist, wie vorhin erwähnt, 
uralt und unsere Zeit will dasselbe wenig gelten lassen, 
obwohl ganz bedeutende Ersparnisse mit demselben zu 
erreichen sind. Es ist zur Evidenz erwiesen, dass, wenn 
Kalk der Cementmischung zugesetzt wird, auch die 
Adhäsionskraft 'des Mörtels über 100°/o, und die Druck¬ 
festigkeit um mindestens die Hälfte erhöht wird, thön- 
überschüssige Cemente vorausgesetzt. Nach dem Protokolle 
des Vereines deutscher Cementfabrikanten (Jahrgang 1897, 
Seite 63—(35) wies ein Mörtel aus 1 Theil Cement, 
1/2 Theil hydraulischen Kalk und 6 Theilen Sand nach 
entsprechender Erhärtung in freier Luft eine Zugfestigkeit 
von annähernd 44 Kilogramm pro Cubikcentimeter auf, 
also fast doppelt so viel, als eine normale Cementprobe 
von 1 Theil Cement und 3 Theilen Sand nach 28 Tagen. 
Die Ursache dieser, vom Techniker in der Praxis viel zu 
wenig ausgenützten und den unzähligen untergeordneten 
Praktikern überhaupt nicht bekannten Thatsache liegt 
wahrscheinlich in der schnelleren Assimilation und 
grösseren Verwandschaft des Kalkes zum Sande. Absolutes 
ist allerdings noch nicht bekannt. Tritt zu einer solchen 
Erscheinung eine richtige Behandlung des Bindemittels, 
so ist es klar, dass der Effect stets ein guter sein muss 
(worüber noch einiges mitgetheilt werden soll). Welche 
colossalen Ersparnisse würden schon gemacht worden 
sein, hätte man sich obige und noch einige andere mit 
ihr verwandte Thatsachen zu nutze machen wollen I Wie 
die Beimischung von Kalk zu Cement vortheilhaft ist, so 
gibt es noch eine Reihe anderer Conglomerate (z. B. für 
feuerfesten Beton), die nicht weniger interessant und 
nutzbringend sind. Selbstverständlich hat man sich bei 
allen Zusammensetzungen bezüglich der Füll- wie der 
Bindemittel immer nach deren Eigenschaften zu richten, 
wenn man gute und nach jeder Richtung hin zufrieden¬ 
stellende Resultate erzielen will. Wie man in der Wahl 
des Rohmateriales und der Bindemittel Fehler machen 
kann, so ist das bei der Zusammensetzung und dem
	        
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