Dir Spätgotik im Inn- und Mtak
Von Siegfried Graf Piickler-Limpurg.
(2. Fortsetzung.)
Außer St. Jakob besitzt Wasserburg noch eine
zweite gotische Kirche, die Frauenkirche. Sie ist im
14. Jahrhundert erbaut, hat vier auffallend weite Joche
und einen Abschluß, ohne eigentlichen Chor. Die Be
urteilung ist erschwert durch die vollständige Stukkierung,
auch der Gewölbe, im Jahre 1733. Die Kirche hat zwei
ungewöhnliche Züge: Einmal ist sie eine Basilika, aber
ohne Fenster in dem sehr niedrigen Obergaden des Mittel
schiffs; eine Untersuchung der Wand ergab, daß solche
nie vorhanden waren. Dann entsprechen jedem Gewöl
befeld der Seitenschiffe zwei Felder im Mittelschiff; die
Scheidbögen sitzen einerseits auf Wandsäulen, die alte
Dienste ummanteln, andererseits auf Konsolen dicht über
dem Scheitel der Seitenschiffsbögen. Für diese Einwöl
bung wird seit langem das Jahr 1386 angegeben, denn
in diesem Jahre quittiert Paulus Beiner die Bezahlung
für „acht Gewölbpogen". Anscheinend hat noch niemand
an der Zahl „acht" Anstoß genommen. Die Kirche hat
nämlich 16 Gewölbefelder, vier in jedem Seitenschiff,
acht im Hauptschiff. Paulus Beiner quittiert also nur
über die Hälfte, und welche Hälfte dies war, ist sofort
zu erkennen: Die Gewölbe der Seitenschiffe lassen sich
trotz der Stukkierung als hochgotische Kreuzrippengewölbe
feststellen.
Die Verdoppelung der Seitenschiffsjoche im Haupt
schiff ist nicht alleinstehend, beruht aber überall, wo wir
Nachweise haben, auf einer Planänderung. Das bekann
teste Beispiel ist der Dom von Magdeburg. Eine solche
Planänderung liegt auch hier vor. Das ungewöhnliche
Höhenverhältnis zwischen Mittelschiff und Seitenschiffe,
wobei die Gewölbeansätze in Höhe des Scheitels des
Seitenschiffs liegen, ist ähnlich wie in Seeon und sicher
von dort beeinflußt. Die Rippengestaltung läßt sich
wiederherstellen. Denn im letzten Joch über der Orgel
empore sind einige Rippen freigeblieben, andere lassen
sich unter dem Stucküberzug noch verfolgen. Demnach
war das Gewölbe ein Netzgewölbe wie in der Vorhalle