Volltext: Der Inn-Isengau 1. Heft 1923 (1. Heft / 1923)

Dir Spätgotik im Inn- und Mtak 
Von Siegfried Graf Piickler-Limpurg. 
(2. Fortsetzung.) 
Außer St. Jakob besitzt Wasserburg noch eine 
zweite gotische Kirche, die Frauenkirche. Sie ist im 
14. Jahrhundert erbaut, hat vier auffallend weite Joche 
und einen Abschluß, ohne eigentlichen Chor. Die Be 
urteilung ist erschwert durch die vollständige Stukkierung, 
auch der Gewölbe, im Jahre 1733. Die Kirche hat zwei 
ungewöhnliche Züge: Einmal ist sie eine Basilika, aber 
ohne Fenster in dem sehr niedrigen Obergaden des Mittel 
schiffs; eine Untersuchung der Wand ergab, daß solche 
nie vorhanden waren. Dann entsprechen jedem Gewöl 
befeld der Seitenschiffe zwei Felder im Mittelschiff; die 
Scheidbögen sitzen einerseits auf Wandsäulen, die alte 
Dienste ummanteln, andererseits auf Konsolen dicht über 
dem Scheitel der Seitenschiffsbögen. Für diese Einwöl 
bung wird seit langem das Jahr 1386 angegeben, denn 
in diesem Jahre quittiert Paulus Beiner die Bezahlung 
für „acht Gewölbpogen". Anscheinend hat noch niemand 
an der Zahl „acht" Anstoß genommen. Die Kirche hat 
nämlich 16 Gewölbefelder, vier in jedem Seitenschiff, 
acht im Hauptschiff. Paulus Beiner quittiert also nur 
über die Hälfte, und welche Hälfte dies war, ist sofort 
zu erkennen: Die Gewölbe der Seitenschiffe lassen sich 
trotz der Stukkierung als hochgotische Kreuzrippengewölbe 
feststellen. 
Die Verdoppelung der Seitenschiffsjoche im Haupt 
schiff ist nicht alleinstehend, beruht aber überall, wo wir 
Nachweise haben, auf einer Planänderung. Das bekann 
teste Beispiel ist der Dom von Magdeburg. Eine solche 
Planänderung liegt auch hier vor. Das ungewöhnliche 
Höhenverhältnis zwischen Mittelschiff und Seitenschiffe, 
wobei die Gewölbeansätze in Höhe des Scheitels des 
Seitenschiffs liegen, ist ähnlich wie in Seeon und sicher 
von dort beeinflußt. Die Rippengestaltung läßt sich 
wiederherstellen. Denn im letzten Joch über der Orgel 
empore sind einige Rippen freigeblieben, andere lassen 
sich unter dem Stucküberzug noch verfolgen. Demnach 
war das Gewölbe ein Netzgewölbe wie in der Vorhalle
	        
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